(ots) - Sprung nach vorne
Staatsstreich, Putsch: Solche Worte fallen mit Blick auf Tunesien.
Sie sind verkehrt. Verwendet werden sie wohl auch, weil man sie mit
der arabischen Welt unterschwellig und auch nicht ohne Grund
verbindet. Aber der Aufstand begann in der Provinz, nicht in den
Kasernen. Er wurde getragen von Unter- und Mittelschicht, nicht von
Zirkeln der Eliten. Er erfasste das ganze Land und zuletzt die
Hauptstadt. Geradezu überraschend dann der Erfolg: Präsident Ben Ali
flieht, Wahlen stehen bevor. Eher erfüllen die Unruhen also im besten
demokratischen Sinne die Kriterien einer Revolution.
Für ein islamisch geprägtes Land ist so etwas unerhört, für ein
afrikanisches ebenso und für ein arabisches Land in Afrika folglich
noch einmal mehr. Und so feiern sich die Tunesier als Vorreiter.
Arabische Medien wie der Fernsehsender Al Dschasira und
Online-Dienste haben den Weg der Revolte mit ihrem Höhepunkt am
Freitag detailliert in die Nachbarländer übertragen. In den Despotien
wird man sich nun Gedanken machen - in den autokratischen, vielfach
vom Westen gestützten Herrscherfamilien, aber auch im Volk, das sich
fragen dürfte, ob die Dinge eigentlich für alle Zeiten so bleiben
müssen, wie sie sind.
Dass der Aufstand in Tunesien in einer lupenreinen Demokratie
mündet, gar ein freiheitlicher Funke ist, der weitere Teile der
arabischen Welt entzündet, ist nicht gesagt. Aber allemal bedeutet er
einen Sprung nach vorne, der jede Unterstützung verdient - auch,
damit es islamistischen Kräften nicht gelingt, wie andernorts aus
Unzufriedenheit Kapital zu schlagen.
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