Das seit dem 1. Januar 2011 wirksame Beschäftigungschancengesetz hat besonders im Bereich des Beschäftigtentransfers eine Reihe wichtiger Neuerungen mit sich gebracht. Es wirft aber indirekt auch Fragen nach flexiblen Arbeitsformen und dem Umgang damit auf. Gerd Galonska, Geschäftsführer der PEAG Personalentwicklungs- und Arbeitsmarktagentur GmbH, erläutert die Hintergründe des Gesetzes, fordert die Enttabuisierung der Zeitarbeit und sieht auch auf Seiten der Bundesregierung Handlungsbedarf.
(firmenpresse) - Herr Galonska, am 1. Januar 2011 ist das neue Beschäftigungschancengesetz in Kraft getreten. Sie haben als Unternehmen frühzeitig auf den Gesetzentwurf reagiert und hierzu Stellung bezogen. Als größter Transferanbieter in Deutschland ist PEAG auch direkt von den Neuerungen betroffen. Was sind die Hintergründe des neuen Gesetzes?
Der eigentliche Hintergrund des neuen Gesetzes ist die Verlängerung des konjunkturellen Kurzarbeitergeldes. Zur „Gegenfinanzierung“ wurde ein Teilthema – der Beschäftigtentransfer – gewählt und auch davon nur ein wesentlicher Baustein: das Profiling. Die Idee des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales (BMAS) war zunächst, das Profiling zukünftig durch die Bundesagenturen durchführen zu lassen und dadurch etwa fünf Milliarden Euro einzusparen. Eine Rechnung, die aber auf vielen Annahmen basierte und nicht aufgeht. Das Profiling wird jetzt weiterhin von der jeweiligen Transfergesellschaft durchgeführt, die auch die Betreuung und Vermittlung verantwortet. Damit liegt auch die Qualitätssicherung beim Träger. Bei uns dauert z.B. ein Profiling mindestens zwei Tage und beinhaltet Einzel- und Gruppengespräche, teilweise auch schon Bewerbungstraining. Das hat natürlich eine ganz andere Qualität als das einfache herkömmliche Profiling, das zum Großteil aus Datenerfassung besteht. Bedauerlicherweise wurden in den Geschäftsanweisungen der Bundesagentur zu diesem Gesetz die vermittlungsorientierten Elemente in der Vorphase (Transferagentur) nicht wie erhofft und gefordert gestärkt.
Was sind die wesentlichen Elemente des neuen Gesetzes?
Hauptsächlich geht es um die Überprüfung von Arbeitsmarktinstrumenten und um Qualitätsverbesserung. Selbstverständlich unterstützen wir alle Schritte, die zur Qualitätssicherung und -optimierung beitragen. Die Qualitätssteigerung im Transferbereich ist auch ein Hauptziel des Bundesverbandes der Träger im Beschäftigtentransfer (BVTB), in dem wir zertifiziertes Mitglied sind. Unsere Forderungen nach verbindlichen Qualitätskriterien gehen da sogar viel weiter als das neue Gesetz nun vorsieht. Der Betreuungsschlüssel von 1:50, also ein Berater für maximal 50 Transfermitarbeiter, ist nur eines von vielen Kriterien, die wir bereits seit Jahren umsetzen und natürlich auch von anderen Transfergesellschaften fordern, um sehr gute Beratung zu gewährleisten.
Welche konkreten Maßnahmen sind im neuen Gesetz verankert, damit eine Qualitätssteigerung im Transferbereich erreicht werden kann?
Ein Element ist beispielsweise die verpflichtende Vorberatung der Unternehmen durch die Bundesagentur für Arbeit. Die Beratung vor dem Sozialplanabschluss begrüßen wir im Sinne einer vermittlungsorientierten Gestaltung, damit alle Parteien von Beginn an wissen, an welche Bedingungen die Bundesagentur die Förderung (u.a. Transferkurzarbeitergeld) knüpft. Das betrifft sowohl den Arbeitgeber als auch den Betriebsrat, der ja maßgeblich beteiligt ist. Auch die Überprüfung von Transfergesellschaften halten wir hinsichtlich einer Qualitätssicherung weiterhin für sehr wichtig.
Warum ist das für Sie ein wichtiger Punkt?
Wir haben in Deutschland aktuell folgende Marktsituation: Rund 50 Transfergesellschaften sind für den bundesweiten Transfermarkt relevant, 18 davon sind bereits Mitglied im BVTB. Diese 18 Unternehmen betreuen etwa die Hälfte der bestehenden Transferprojekte und sind nicht die „Problemklientel“. Auch in der Transferbranche gibt es wie in jeder Branche wenige schwarze Schafe. Diese schaden einerseits den Mitarbeitern, die in diese Transfergesellschaft wechseln. Andererseits können sie aber auch sehr leicht die gesamte Branche und das Instrument Beschäftigtentransfer in Verruf bringen. Reaktionen auf einzelne Negativbeispiele, die absolute Ausnahmen darstellen, sind in der Regel immer unverhältnismäßig. Zunächst in der öffentlichen Wahrnehmung, aber daraus entsteht auch Druck auf politische Entscheidungsträger, die dann Änderungen durchsetzen möchten. Ein Beleg dafür, wie solche Mechanismen funktionieren, ist das Bestreben der Bundesagentur, zu überprüfen, dass Transfermaßnahmen nicht nur finanziell ausgestattet, sondern auch gesichert sein müssen, beispielsweise durch Bürgschaften. Es gab in den letzten Jahren nur sehr wenige Fälle, die aufgrund fehlender Sicherung zum Abbruch der Maßnahme führten. Auch hier hat man ein Einzelthema zum Anlass für umfassende Änderungen genommen. Die Durchführbarkeit einer solchen Prüfung ist aber mehr als fraglich. Wer soll das bei der Agentur ernsthaft prüfen? Das können die Sachbearbeiter nicht leisten, weder zeitlich, noch sind sie entsprechend ausgebildet. Daher werden wir uns gegen überzogene Anforderungen und Nachweise der finanziellen Absicherung wehren. PEAG wird seit Gründung durch Wirtschaftsprüfer und sogar nach dem Haushaltsgrundsätzegesetz geprüft, so dass eine ausreichende, unabhängige Kontrolle gewährleistet ist.
Inwiefern sollen die angestrebten, qualitativen Verbesserungen generell überprüft und gemessen werden?
Das ist ein Thema, das in diesem Gesetz wieder aufgegriffen wird: Statistiken und Daten. Die Grundidee, dass die Agentur Erfolg messen und wissen möchte, was genau bei den Transfergesellschaften passiert, ist gut und richtig. Allerdings werden die notwendigen Daten, die für eine solche Messung benötigt werden, von uns bereits seit Jahren jeden Monat gemeldet. Die Frage muss sein, ob die Agentur in der Lage ist, diese Daten endlich aussagekräftig auszuwerten. Wenn das nicht der Fall ist, sehe ich als Träger keinen Sinn darin, zukünftig noch mehr Daten zu liefern. Das bedeutet nur Mehraufwand, dem nichts Positives gegenüber steht.
Welche Änderungen sind darüber hinaus im Gesetz verankert?
Wer sich nicht arbeitssuchend gemeldet hat, kann kein Transferkurzarbeitergeld bekommen. Das bedeutet für alle Rechtssicherheit. Ebenfalls eine entscheidende Verbesserung ist die Einführung einer Transfermappe als Aktivitätsnachweis des Betroffenen. Sie enthält alle wesentlichen Unterlagen: die Bewerbungsunterlagen, Zielvereinbarungen und Qualifizierungsmaßnahmen, Nachweise über angebotene Stellen und eine Übersicht über die geführten Gespräche bei der Bundesagentur und dem Transferträger. Das schafft für alle mehr Transparenz über die aktuellen Vermittlungsbemühungen.
Würden Sie sagen, dass aus Ihrer Sicht die Vorteile des neuen Gesetzes überwiegen?
Im Großen und Ganzen sind wir mit dem Gesetz zufrieden. Aber natürlich gibt es auch Punkte, denen wir nicht bedingungslos zustimmen, zum Beispiel der Grundsatz „Vermittlung geht vor Qualifizierung“. Der Ansatz ist nachvollziehbar, muss aber auch differenziert betrachtet werden. In der Vergangenheit konnte die Bundesagentur den Transfer-Mitarbeitern Stellenangebote unterbreiten. Bisher konnten diese Angebote aber vom Mitarbeiter abgelehnt werden, wenn er bei uns im Transfer war. Beispielsweise, wenn wir als Träger mit einem Mitarbeiter die Zielvereinbarung getroffen haben, ihn für eine höhere Tätigkeit zu qualifizieren als er sie bisher ausgeübt hat. Und wenn diese Aufbauqualifikationen zum Teil schon umgesetzt wurden und die Bundesagentur dem Beteiligten dann eine Stelle angeboten hat, die sogar unter dem Niveau seiner früheren Beschäftigung lag, kam es vor, dass so ein Mitarbeiter von seinem Recht Gebrauch gemacht und das Angebot abgelehnt hat.
Vielleicht auch, weil das Angebot finanzielle Einbußen bedeutet hätte?
Wenn Sie heute schuldlos aus einem jahrelangen, festen Arbeitsverhältnis gehen, ist in der Regel der zukünftige Verdienst geringer. Es sei denn, Sie haben eine höherwertige Tätigkeit angenommen oder kommen aus einer Branche, in der die bisherige Tätigkeit unterdurchschnittlich bezahlt wurde und wechseln in eine andere Branche, in der die gleiche Tätigkeit besser bezahlt wird. Generell belohnen Tarifverträge Betriebstreue. Das heißt, wenn Sie irgendwo neu einsteigen, müssen Sie wahrscheinlich mit einem Einkommensverlust rechnen. Auch heute müssen sich die Mitarbeiter im Transfer darüber Gedanken machen. Bisher galten die eigenen Zumutbarkeitsregeln und dafür musste auch jeder selbst haften. Wenn Sie eine Arbeit nicht annehmen, weil ihnen der Einkommensverlust zu hoch ist, tragen Sie auch das Risiko, arbeitslos zu werden, weil Sie vielleicht nichts anderes finden. Ab jetzt gelten bei Angeboten, die die Bundesagentur den Transferbeteiligten macht, die Zumutbarkeitsregeln der Bundesagentur. Wenn die Beteiligten dann ein zumutbares Angebot ablehnen, kann es passieren, dass man ihnen das Transferkurzarbeitergeld streicht.
Welchen Standpunkt vertreten die Gewerkschaften diesbezüglich?
Die Gewerkschaften sagen, die Bundesagentur würde ohnehin überwiegend Zeitarbeitsstellen anbieten und Zeitarbeit bedeute kein vernünftiges Arbeitsverhältnis, schlechtere Bezahlung, noch nicht einmal Mindestlohn. Der Fall „Schlecker“ ist hier das einschlägige Beispiel. Dass Arbeitnehmer in solche Arbeitsverhältnisse „gezwungen“ werden, sehen die Gewerkschaften sehr kritisch.
Wie beurteilen Sie den Zeitarbeitsmarkt?
Zeitarbeit ist ein völlig normaler Markt. Es ist unsachlich, den gesamten Zeitarbeitsmarkt mit dem Fall „Schlecker“ in Verbindung zu setzen. Es gibt viele seriöse Zeitarbeitsunternehmen, die auch langfristig Mitarbeiter nach Tarifvertrag beschäftigen. Wir haben mit PEAG Personal ein vermittlungsorientiertes Unternehmen in den eigenen Reihen, das hier beispielhaft mit Equal Pay-Vereinbarungen vorgeht. Das ändert aber nichts daran, dass Mitarbeiter aus langjährigen Arbeitsverhältnissen persönliche Probleme damit haben, in die Zeitarbeit zu wechseln. Bei unseren über 3.000 Vermittlungen aus dem Transfer in 2010 finden sich deshalb kaum Übergänge in die Zeitarbeit. Aber dahinter steht meistens kein Sachgrund, die ablehnende Haltung basiert auf der Tatsache, dass Zeitarbeit bei uns – zu Unrecht – als minderwertige Beschäftigung angesehen wird. Ich persönlich bin der Meinung, dass ein Mitarbeiter, dem eine adäquate Stelle zu einem adäquaten Lohn in der Zeitarbeit angeboten wird, nicht sagen sollte, da warte ich lieber noch. Denn es kann passieren, dass später kein Angebot mehr auf dem Markt ist und der Mitarbeiter arbeitslos wird. Das Spannende wird sein, im Kopf der Mitarbeiter etwas zu bewegen, ihnen zu verdeutlichen, dass es auch in der Zeitarbeit völlig normale Arbeitsverhältnisse gibt und das Zeitarbeit nicht heißt „heute hier, morgen dort“. Ich halte die Enttabuisierung der Zeitarbeit für absolut notwendig. Wir müssen akzeptieren, dass in Zukunft die flexiblen Arbeitsplätze die normalen sein werden. Viele so genannte atypische Beschäftigungsformen, ob Zeitarbeit, Teilzeit oder Job-Sharing, gibt es in anderen Ländern schon seit vielen Jahren und dort werden sie nicht als minderwertig angesehen. Wir haben in Deutschland immer noch ein Akzeptanzproblem. Es gibt aber auch ein politisches Problem, das sich nicht schnell und unkompliziert regeln lässt. Unsere Sicherungssysteme wie Kranken-, Pflegeversicherung und insbesondere die Rentenversicherung sind mit Ihren Leistungen auf Vollzeitbeschäftigungen ausgelegt, und gehen von einer jahrzehntelangen Erwerbstätigkeit aus. Das ist ein Systemproblem. Die atypischen Arbeitsverhältnisse erfüllen diese Rahmenbedingungen nicht und weil sie sie nicht erfüllen, ist es für einen Betroffenen ein großer Nachteil, was z.B. die Rentenabsicherung angeht. Das liegt aber am Sicherungssystem und nicht grundsätzlich an der atypischen Beschäftigung. Wenn man ernsthaft über die Zukunft der Arbeit redet, über die Flexibilisierung von Beschäftigung und das berühmte Flexisecurity, würde das bedingen, dass man ernsthaft unsere Versicherungssysteme auf den Prüfstand stellt.
Die PEAG Unternehmensgruppe
Die Unternehmensgruppe der PEAG Personalentwicklungs- und Arbeitsmarktagentur GmbH bietet eine Vielzahl von Dienstleistungen rund um das Thema Beschäftigung für Unternehmen und ihre Mitarbeiter an und wurde 1997 in Dortmund gegründet. Seit dem Jahr 2000 arbeitet die PEAG bundesweit für Unternehmen aller Größen und Branchen und ist aktuell an 40 Standorten mit über 160 fest angestellten Berater/innen vertreten. Die Unternehmensgruppe setzt sich zusammen aus der PEAG Transfer, PEAG Personal, PEAG HR und PEAG MBG.
Das breit gefächerte Dienstleistungsangebot hat folgende Schwerpunkte:
- Beschäftigtentransfer nach § 216 a + b, SGB III, Profiling, Einzel- und Existenzgründungsberatung und Vermittlungscoaching. PEAG Transfer ist der größte bundesweite Transfer-Anbieter. Allein im Jahr 2010 wurden über 3.000 Menschen wieder in den ersten Arbeitsmarkt vermittelt. Im Rahmen des Europäischen Sozialfonds bzw. des Europäischen Globalisierungsfonds werden erfolgreich Projekte umgesetzt. (PEAG Transfer)
- Vermittlungsorientierte Arbeitnehmerüberlassung von Fachkräften (Zeitarbeit mit Equal-Pay) sowie Modelle zur Beschäftigungssicherung (PEAG Personal)
- Einzel- und Gruppenplacement, Trennungsmanagement, Recruiting, Eignungsdiagnostik, Aufbau von Talentpools, Personalentwicklung, Qualifizierungsmanagement und Kommunikationsoptimierung (PEAG HR)
- Beratung zur Mitarbeiterkapitalbeteiligung am Unternehmen (PEAG MBG)
Bislang betreute die PEAG mehr als 65.000 Mitarbeiter in über 3.000 Projekten. Ihre langjährige, deutschlandweite und branchenübergreifende Erfahrung, ihre hohen Qualitätsstandards, die regelmäßig überprüft und erweitert werden, sowie das vielfältige Leistungsspektrum machen die PEAG Unternehmensgruppe zu einem verlässlichen Partner in allen Fragen rund um das Thema Personal. Dabei bietet PEAG individuelle Lösungen ausschließlich für Firmenkunden.
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