Die Suchterkrankung eines Menschen führt zu weitreichenden Konsequenzen in seinem Leben: Der Verlust der Freunde, des Partners, des Arbeitsplatzes und schließlich seiner selbst sind schwerwiegende Folgen, die er ohne fremde Hilfe nicht überwinden kann. Sind jedoch auch noch weitere Personen beteiligt, bahnt sich eine Katastrophe an. Gerade im Fall suchtkranker Eltern sind die Kinder diejenigen, die am meisten leiden müssen.
(firmenpresse) - Knapp 3 Millionen Kinder in Deutschland leben mit mindestens einem suchtkranken Elternteil zusammen. Diese Zahl, sicherlich nur eine Dunkelziffer, schockiert ange-sichts der Auswirkungen auf das Leben der Kinder.
„Rede nicht!“, „Fühle nicht!“, „Vertraue nicht!“
Diese drei Grundregeln existieren in jeder suchtbelasteten Familie, die so von der Außenwelt isoliert. „Das Problem der Sucht soll nicht thematisiert und möglichst totgeschwiegen werden – im Idealfall ahnt kein Mensch außerhalb dieses Komplexes, dass etwas nicht stimmt“ erklärt Gotthard Lehner, Leiter von drei renommierten bayerischen Suchtkliniken. „Doch auch innerhalb der Familie wird nicht über die Sucht und ihre Auswirkungen gesprochen. Weshalb das Kind vollkommen verstört mit seinen Ängsten und Fragen allein gelassen wird.“ Besonders leiden die Kinder unter der Instabilität und Unberechenbarkeit des elterlichen Verhaltens, das sowohl auf Seiten des Suchtkranken als auch auf der des Partners auftreten kann. Die traurigen Folgen einer derart gestörten Familiensituation sind oftmals Kindesmissbrauch, -misshandlung und -vernachlässigung. Auch unter überproportional häufig auftretenden Trennungen und Scheidungen sowie chronischen Konflikten und Streitigkeiten in der Familie leiden die Kinder. Konsequenzen daraus sind Gefühle wie Angst, Scham, Trauer, Wut und die Gewissheit: Das einzig Zuverlässige ist das Unzuverlässige.
Familienheld, Sündenbock oder Clown
Verbunden mit den Auswirkungen, die das Aufwachsen in einer suchtbelasteten Fami-lie mit sich bringt, entwickeln Kinder oftmals gewisse Verhaltensmuster mit denen sie sich in bestimmte Rollen einfügen. Diese werden als „Überlebensstrategie“ zu einem Teil der Persönlichkeit, der im späteren Leben zu verheerenden Konsequenzen führen kann. Eine dieser Interaktionsrollen, die vor allem Erstgeborene annehmen, ist die des Familienhelden. Das Kind übernimmt hierbei die Verantwortung und Aufgaben, die das suchtkranke Elternteil und meist auch der Partner nicht erfüllen können. Im späteren Leben führt dies oftmals zu Co-Abhängigkeit. Der Sündenbock hingegen wird oft zum schwarzen Schaf der Familie stilisiert. Durch die Übertragung des Chaos, das in der Familie herrscht, auf das eigene Leben produziert das Kind meist mehr Probleme als der Suchtkranke und lenkt somit von diesem ab. Der Träumer wiederum lebt zu-rückgezogen in seiner eigenen Welt und versucht dadurch, Konflikten zu entgehen. Durch seine Zurückgezogenheit ist er am ehesten Opfer von Vernachlässigung und mangelndem Selbstwertgefühl. Der Clown bringt die Familie zum Lachen, da es ansonsten keinen Grund zum Lachen gibt. Die wirklichen Emotionen werden hierdurch allerdings überspielt und drohen, im Erwachsenenalter wieder auszubrechen.
Auch die Erwachsenen waren einmal Kinder
Etwa 5 Millionen erwachsene Kinder stammen aus suchtbelasteten Familien, deren Auswirkungen sich oftmals erst im Erwachsenenalter zeigen. „Dabei kann es zu einer Reihe von Problemen kommen“, so Gotthard Lehner. „Hierzu zählen Beziehungsschwierigkeiten, die sich entweder in Bindungsängsten oder starken Bedürfnissen nach ständiger Nähe äußern, Selbstzweifel oder mangelndes Selbstwertgefühl. In Beziehungen besteht eine hohe Wahrscheinlichkeit, seinerseits suchtkranke Partner zu wählen – eine Trennung fällt ihnen dann meist äußerst schwer. Durch die Verarbeitung der Kindheitserlebnisse in einem suchtkranken Elternhaus und den dort oft über viele Jahre erlernten Mustern und Strukturen besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit, selbst suchtkrank zu werden oder bestimmte Verhaltensweisen zu zeigen. Eine entsprechende genetische Disposition erhöht das Risiko nochmals.“ Ebenso besteht die Gefahr eines anderweitigen Zwangsverhaltens, wie etwa das kontinuierliche Streben nach Perfektion oder im Gegenteil Formen der Lethargie. Das im Kindesalter geprägte Misstrauen gegenüber anderen außerhalb der eigenen Familie wird im Erwachsenenalter nur noch verstärkt. Der Betroffene vertraut also weder anderen noch sich selbst.
Ängste abbauen, Wissen schaffen
Um dem verstörten Kind zu helfen, solange das suchtkranke Elternteil noch nicht in Behandlung ist, ist unter anderem das nichtsüchtige Elternteil gefordert: Es sollte verständnisvoll auf das Kind zugehen und ihm jederzeit ein offenes Ohr bieten können. Denn für Kinder ist diese familiäre Situation mit deutlich mehr Stress verbunden als für einen Erwachsenen. Problematisch ist, dass Kleinstkindern die Verbalisierungsmöglichkeit fehlt – sie erleben aber sehr wohl bereits Disharmonien und Instabilitäten innerhalb der Familie. Außerdem befindet sich das nichtsüchtige Elternteil nicht selten in einer Co-Abhängigkeit. Verbote wie „Erzähl das ja nicht!“ oder „Sprich nie darüber!“ sowie auch Vorwürfe gegen den Partner oder Verteidigungen seines Verhaltens sollten gegenüber dem Kind unterlassen werden. „Das Bedürfnis nach einem ebenbürtigen, verantwortungsbewussten Partner sollte auf keinen Fall auf das (älteste) Kind übertragen werden“, erklärt Gotthard Lehner. Hilfreich kann es sein, abhängig vom Alter des Kindes, gemeinsam Beratungsseiten im Internet zu studieren oder Selbsthilfegruppen, die es auch speziell für Jugendliche gibt, aufzusuchen. Kind gerechte Ausflüge und Freizeitbeschäftigungen oder das Schaffen einer Möglichkeit, Freunde zu sich nach Haus einzuladen, tragen dazu bei, die Kindheit zu erhalten. Das Wichtigste ist jedoch, offen und ehrlich mit dem Kind zu reden und ihm zu helfen, Ängste, die aus Hilflosigkeit und Unwissen resultieren, abzubauen. Das Kind sollte sich in jedem Fall jemandem anvertrauen können – ob diese Person Teil der Kernfamilie ist oder eine neutrale Person ist erst einmal zweitrangig. Ist der Partner bereit, sich helfen zu lassen, sollte dafür gesorgt sein, dass die gesamte Familie in den Therapieprozess einbezogen wird.
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