(ots) - Der Medienwandel stellt Verlage und Redaktionen
weiterhin vor große Herausforderungen, so der Tenor am "Tag des
Wirtschaftsjournalismus" am Mittwoch in Köln. "Mitten in der
strukturellen Krise der Medien ist es nicht leicht, noch an den
Journalismus, besonders an den gedruckten Journalismus zu glauben",
sagte Philipp Welte, Vorstand von Hubert Burda Media. Allerdings sei
eine Erkenntnis aus den Krisenjahren, dass Printmedien "höchst
relevant", ihr "Markt stabil" und ihr "Geschäftsmodell kerngesund"
seien. "Unsere Branche ist nicht tot", so Welte, "und sie ist nicht
dem Tode geweiht." Das Internet stelle für die Verlage zwar ein
Risiko dar, biete ihnen aber auch zahlreiche Chancen. Um sie zu
nutzen, müssten sich Medienhäuser und Journalisten mit den neuen
Technologien auseinandersetzen und die Herausforderungen "mit Mut und
Leidenschaft" annehmen.
Darüber diskutierten am Mittwoch in Köln rund 220 Journalisten auf
dem "Tag des Wirtschaftsjournalismus". Das Thema des Kongresses, der
von der Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft
veranstaltet wird, lautete: "Business as usual?
Wirtschaftsjournalismus zwischen den Krisen".
Auf der Konferenz berichteten leitende Redakteure von Deutschlands
führenden Wirtschaftsmedien, wie sie auf den Medienwandel reagieren.
So zog Nikolaus Förster, Chefredakteur von impulse, eine Bilanz der
Umstrukturierungen beim Verlag Gruner+Jahr, der vor zwei Jahren eine
Zusammenlegung der Redaktionen seiner Wirtschaftsmedien beschlossen
hatte. "Wir waren überrascht, wie schnell der Umbau abgeschlossen
war", so Förster. "Wir haben wirtschaftlich und inhaltlich davon
profitiert."
Handelsblatt-Chefredakteur Gabor Steingart warnte davor, in der
sich rasch wandelnden Wirklichkeit stehen zu bleiben: "In der neuen
Flüchtigkeit der Gesellschaft hat die Zeitung eine Riesenchance, sich
als Ausbilder, Kollege und Coach der Leser zu etablieren." Jörg
Eigendorf, Chefreporter der WELT-Gruppe, erklärte, wie sich Recherche
durch neue technologische Entwicklungen und wirtschaftliche
Herausforderungen verändern. "Investigative Teams in Redaktionen sind
zwar eine Mode-Erscheinung, allerdings eine berechtigte", so
Eigendorf, der bei der WELT-Gruppe ein investigatives Rechercheteam
aufbaut. Gefragt seien Journalisten, die im Team mit Fachreportern
eng zusammenarbeiten könnten.
Wie diese Herausforderungen insbesondere für
Wirtschaftsjournalisten aussehen, erklärte Tom Standage, Digital
Editor beim Wirtschaftsmagazin Economist. "Weil das Internet eine
unüberschaubare Menge von Informationen bietet, sollten sich
Wirtschaftsmedien darauf konzentrieren, die wirklich wichtigen
Nachrichten für ihre Leser auszuwählen und ihnen die Hintergründe zu
erklären", so Standage. Leser und Zuschauer seien durchaus bereit,
für solche Informationen zu bezahlen, insbesondere für relevante
Wirtschaftsnachrichten. Wirtschaftsmedien seien daher von den
wirtschaftlichen Folgen des Medienwandels weniger stark betroffen als
die Medien insgesamt, gab sich Standage optimistisch. Das zeige der
erfolgreiche Einsatz von Bezahlschranken bei Medien wie der Financial
Times. "Print wird sich nicht auflösen", so Standage, "aber in
Zukunft werden sich die Leser noch flexibler über eine Vielzahl von
Medien informieren."
Skeptischer äußerte sich Journalist Richard Gutjahr: "Keiner kann
sagen, was passieren muss, damit sich Journalismus wieder lohnt". Der
Netzreporter und Blogger gab den Teilnehmern der Konferenz Einblicke,
wie er zu Jahresanfang in seinem Blog aus Kairo über die ägyptische
Demokratiebewegung berichtete, unterwegs mit seinen Lesern
kommunizierte und die Recherche überwiegend durch Spenden seiner
Leser finanzieren konnte. "Wir haben es mit einem anderen Publikum zu
tun, als es noch vor zehn Jahren der Fall war", so Gutjahr.
Angesichts des Medienwandels stünden Redaktionen und Verlage vor
der Frage, wie sich Print und Online besser verzahnen lassen und der
Qualitätsjournalismus erhalten werden kann, betonte Henning Krumrey,
Vorsitzender des Trägervereins der Kölner Journalistenschule und
stellvertretender Chefredakteur der WirtschaftsWoche. Zwar habe sich
die Medienbranche von der Wirtschaftskrise teilweise erholt. "Aber in
der Berichterstattung bleibt die Krise ein Dauerzustand", sagte
Krumrey. Angesichts von Bankenkrise, Eurokrise, Libyen-Konflikt und
Japan-Drama befänden sich Journalisten und Zuschauer "in einem
Zustand der Dauererregung". Journalisten müssten sich fragen, wie sie
den Drahtseilakt zwischen "nüchterner Aufklärung, notwendiger Warnung
und überzogener Panikmache" bewältigen können.
Der "Tag des Wirtschaftsjournalismus", der regelmäßig in Köln
stattfindet, versteht sich als Diskussionsforum für deutschsprachige
Wirtschaftsjournalisten. Er bietet ihnen die Möglichkeit zu einem
umfassenden Informations- und Erfahrungsaustausch. An den Kongressen
in den Jahren 2007, 2008 und 2009 nahmen jeweils rund 200 Teilnehmer
teil.
Informationen zum Kongress:
http://www.tag-des-wirtschaftsjournalismus.de
Fotos des Kongresses finden Sie unter:
www.koelnerjournalistenschule.de
Die Kölner Journalistenschule bildet Journalisten für Politik und
Wirtschaft aus. Die achtsemestrige Ausbildung ist mit einem
VWL-Studium an der Universität Köln verbunden. Die Schule wird
getragen vom Verein Kölner Journalistenschule für Politik und
Wirtschaft e.V. Sie finanziert sich unter anderem aus
Studiengebühren, Sponsoring, Spenden und Mitteln des Landes
Nordrhein-Westfalen. http://www.koelnerjournalistenschule.de
Pressekontakt:
Kölner Journalistenschule für Politik und Wirtschaft e.V.
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