(ots) - Ein Kommentar von Thomas Frankenfeld
Er frage sich, ob der Westen eigentlich begriffen habe, welchen
Aufschwung islamistische Gotteskrieger derzeit in der arabischen Welt
nähmen, schrieb Al-Qaida-Führer Anwar al-Awlaki in seinem Essay
"Tsunami des Wandels". Die Gotteskrieger rund um den Globus erlebten
einen "Moment des Hochgefühls", meinte der Top-Propagandist des
Terrors. Die Al-Qaida-Botschaft weist auf die gefährliche
Schwachstelle der Entwicklungen in Ägypten, Syrien, Tunesien,
Bahrain, Jemen oder auch Libyen hin. Ebenso wie der Westen sind auch
die militanten Islamisten für einen Sturz der autokratischen Regime.
Und zwar deshalb, weil Tyrannen wie Mubarak oder Gaddafi das
Vordringen der Gotteskrieger jahrzehntelang mit Gewalt verhindert
haben. Diese wittern nun Morgenluft und stoßen in das machtpolitische
Vakuum. Freie Wahlen in Ägypten könnten einen Sieg der
radikalislamischen Muslimbrüder bringen. Und in Libyen, dessen Regime
unter den Nato-Bomben zerbröckelt, haben offenbar Hisbollah- und
Al-Qaida-Kämpfer die Rebellen infiltriert. Über deren Struktur und
Ziele weiß der Westen bedenklich wenig, und doch greift er an ihrer
Seite massiv militärisch ein und erwägt gar, sie mit modernen Waffen
zu bestücken - was dem Geist der Uno-Resolution 1973 Hohn sprechen
würde. Schon sind alliierte Spezialeinheiten und CIA-Agenten im
Einsatz. Genauso fing es in Vietnam an. Das Ziel des westlichen
Engagements - der Schutz von Zivilisten - ist ehrenwert. Doch wird
die Nato die Rebellen ebenso bombardieren, wenn sie in Tripolis
einziehen und blutige Rache an Gaddafi-Anhängern nehmen? Die Massaker
an Zivilisten, zu deren Verhinderung die Nato angetreten ist, haben
längst stattgefunden - nur nicht in Libyen, sondern in Syrien und in
Bahrain. In dieses Golf-Königreich marschierten saudische Truppen
ein, um den Volksaufstand niederzuschlagen. Die stabile Erhaltung der
prowestlichen Despotien in Bahrain und Saudi-Arabien ist hier im
nationalen Interesse der USA - die derweil in Libyen ein ähnliches
Regime bombardieren. Das Handeln des Westens in der komplexen und
äußerst unruhigen arabischen Welt lässt bislang keine kohärente
Strategie erkennen.
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