(ots) - Allergien haben sich zu einer Volkskrankheit des
21. Jahrhunderts entwickelt; in Deutschland ist jeder Vierte davon
betroffen, darunter sehr viele Kinder: Neurodermitis ist die
häufigste chronische Erkrankung unter 15-Jähriger, und 650000 Kinder
leiden an Asthma. Die Gesundheitspolitik habe aber offenbar
beschlossen, allergische Erkrankungen weitgehend zu privatisieren:
Sie sollen der gesetzlichen Krankenversicherung nicht noch mehr zur
Last fallen. Das beklagten drei Fachgesellschaften deutscher
Allergologen nun auf einer gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin.
Ohne eine bessere Finanzausstattung drohe ein Zusammenbruch der
Versorgung von Allergikern.
Die Allergologen kritisieren sowohl Entscheidungen der
Gesundheitspolitik als auch der ärztlichen Selbstverwaltung in den
vergangenen Jahren. So werden etwa wichtige Medikamente wie
Antihistaminika gegen Heuschnupfen oder Hautpflegemittel für
Neurodermitis-Patienten nicht von den gesetzlichen Krankenkassen
erstattet. Testsubstanzen für Kontaktallergien müssen seit 2008 wie
Arzneimittel zugelassen werden - zu kompliziert, zu teuer und vor
allem unnötig. Noch nie wurde ein Patient durch solche Tests
geschädigt. Die Vergütung für allergologische Arztleistungen hätten
ein Niveau erreicht, das für Praxen nicht mehr kostendeckend sei.
"Wir appellieren nachdrücklich an die Verantwortlichen in Politik und
Gesundheitsadministration, das Steuer herumzuwerfen und Allergiker
nicht weiter auszugrenzen", betonte Prof. Harald Renz von der
Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische Immunologie
(DGAKI)
Als Gemeinsamkeit hinter den vielen Einschränkungen sehen die
Allergologen-Verbände eine fatale Fehleinschätzung allergischer
Erkrankungen als "Befindlichkeitsstörungen", die der Verantwortung
des Einzelnen überlassen bleiben könne. "Gefährlich wird diese Sicht,
wenn Kinder mit Heuschnupfen nicht mehr kompetent untersucht und
behandelt werden. 30 bis 40 Prozent von ihnen können aber als
Spätfolge ein Asthma bekommen", erklärte Prof. Carl-Peter Bauer von
der Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie und Umweltmedizin
(GPA). Asthma ist eine chronische Erkrankung, die das Kind im
weiteren Leben erheblich belasten und hohe Folgekosten verursachen
wird.
Ulrich Glatzer, Geschäftsführer des Ärzteverbandes Deutscher
Allergologen (AeDA) rechnete vor, dass niedergelassene Ärzte
allergologische Leistungen oft nicht einmal mehr kostendeckend
erbringen können. Wenn der Arzt z.B. einen Hauttest vornehmen muss,
verbrauchen allein schon die Testsubstanzen das Geld, das in einigen
Regionen dem Arzt für ein ganzes Quartal für diesen Patienten zur
Verfügung steht. In anderen Regionen blieben ihm noch bis 8,73 Euro,
dafür müsse er aber alle anderen Leistungen erbringen. Hat der
Patient noch eine weitere allergische Erkrankung, was keine
Seltenheit darstellt, müsste der Arzt sie gratis diagnostizieren und
behandeln. Diese absurde Situation führe dazu, dass immer weniger
Ärzte überhaupt noch allergologische Leistungen anbieten. Selbst
Allergologen mit anderthalbjähriger Fachausbildung zögen sich schon
zurück, Nachwuchs gebe es immer weniger.
Die drei allergologischen Ärzteverbände sehen für ihr Fachgebiet
einen Punkt erreicht, an dem nicht einfach so weitergemacht werden
könne. Sparbemühungen träfen hier ohne haltbare Begründung einseitig
eine Patientengruppe, die teilweise bereits resigniere. Ein Viertel
der Allergiker suche schon gar keinen Arzt mehr auf und nur 10
Prozent würden noch von einem Allergologen qualifiziert versorgt.
"Bei angemessener Versorgung können Allergiker heute eine gute
Lebensqualität genießen", sagte Prof. Harald Renz, DGAKI. "Das
heutige System aber produziert viele schwer kranke Langzeitpatienten.
Es ist an der Zeit, Gesundheitspolitik und kassenärztliche
Vereinigungen auf ihre Verantwortung dafür hinzuweisen."
Quelle: Deutschen Gesellschaft für Allergologie und klinische
Immunologie (DGAKI)
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Wolbert Schnieders-Kokenge
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