(ots) - "Durch die Vielzahl der einzelnen europäischen
Reformprojekte darf die europäische Politik nicht die Nähe zu den
Bürgerinnen und Bürgern Europas verlieren." Dies erklärt Gerhard
Hofmann, Vorstandsmitglied des Bundesverbandes der Deutschen
Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), in einer Rede auf dem
Karlspreis-Europa-Forum in Aachen im Vorfeld der
Karlspreisverleihung. Die Volksbanken Raiffeisenbanken sind Förderer
des Internationalen Karlspreises zu Aachen, der in diesem Jahr an den
Präsidenten der Europäischen Zentralbank, Dr. Jean-Claude Trichet,
unter anderem für seine Verdienste um den Zusammenhalt der
Währungsunion verliehen wird.
Vor allem bei der Lösung der aktuellen Verschuldensprobleme, so
Hofmann, sei die Politik aufgefordert, zu berücksichtigen, dass der
Euro als Symbol der europäischen Integration das Vertrauen der
Bevölkerung genieße. Hofmann: "Die Art und Weise, wie mittelfristig
die Bedingungen für die Währungsunion verändert werden, ist für den
Wert und die Akzeptanz des Euro in der Bevölkerung von zentraler
Bedeutung."
Der Politik attestiert Hofmann großes Verantwortungsbewusstsein
für ihre Intention, eine politische Lösung für die akuten
Verschuldensprobleme in Griechenland zu suchen - gleich welche
Zinsaufschläge die Märkte im Moment einpreisten. Denn die Politik
bewerte hier anders als im Lehman-Fall die Risiken eines
Schuldenschnitts, einer Restrukturierung oder gar eines Austritts
einzelner Länder aus der Währungsunion. Klug handele die Politik
ferner, wenn sie in Alternativen denke und die Möglichkeit
vorbereite, Anleihen von Krisenländern am Sekundärmarkt durch die
europäischen Rettungsfonds vorzubereiten, auch wenn sich die Politik
entschlossen gegen einen Default Griechenlands positioniere.
Langfristig, so Hofmann weiter, sei die Stabilität des Euro nur zu
gewährleisten, wenn die Staaten des Euroraumes auf einem
wirtschaftlich soliden Fundament stünden. Gefragt sei mehr
Koordination und Nachhaltigkeit in den Staatsfinanzen. Dazu sei eine
stärkere Abstimmung und Kontrolle der Fiskalpolitik in Europa nötig.
"Nur wenn die Euro-Staaten rasche Fortschritte bei der Konsolidierung
der Staatsfinanzen erzielen, ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt
glaubwürdig", so Hofmann. Auch müsse verhindert werden, dass
wachstumsstarke Staaten der Europäischen Union weniger
wachstumsstarke abhängen. Dabei dürfe sich Europa aber nicht am
Durchschnitt, sondern an den wettbewerbsstarken Ländern orientieren.
Entscheidend für die Stabilität und Dynamik Europas sei weiter ein
stabiler, gegen externe Schocks widerstandsfähiger Bankensektor.
Neue, verbesserte Regeln für den Finanzsektor seien notwendig,
"allerdings ist die Bilanz der bisherigen Regulierungsvorhaben nicht
eindeutig positiv", so der BVR-Vorstand, "zentrale Erkenntnisse aus
der Finanzmarktkrise wurden bisher nicht hinreichend berücksichtigt.
Dazu zählt insbesondere die so genannte Too-Big-To-Fail-
beziehungsweise Too-Connected-To-Fail-Problematik. Einzelne
Marktsegmente im Investmentbanking oder im Handel mit Derivaten
werden noch immer durch wenige große Marktteilnehmer bestimmt." Auch
das Schattenbanksystem, vor allem Hedgefonds und andere kaum
regulierte institutionelle Investoren sowie die hohen Volumina an
außerbörslichen derivativen Instrumenten seien mögliche Quellen für
systemische Instabilitäten.
Gleichzeitig erschwere die Politik gerade kleinen und mittleren
Kreditinstituten das Geschäft, wenn Regulierung zu mehr und mehr
Bürokratie führe, so Hofmann. Dabei hätten europaweit gerade die
regional verankerten Institute - in Deutschland die
Genossenschaftsbanken und die Sparkassen - die Stabilität und
Funktionsfähigkeit des Bankensystems gestützt. Die Diversifikation
innerhalb eines Finanzsystems, dem nicht nur wenige große Institute
angehören, sondern ebenfalls eine größere Zahl kleiner und mittlerer
Banken habe sich als Stabilitäts- und Wettbewerbsfaktor Europas
erwiesen. Kommission und Parlament ermutigt Hofmann daher, nationale
Besonderheiten wie zum Beispiel die Genossenschaftsbanken in
Deutschland zu berücksichtigen. Dies garantiere auch die Nähe zu den
Bürgern Europas. Unterschiede und Vielfalt im Finanzsystem sollten in
Brüssel nicht als Problem, sondern als Stärke Europas wahrgenommen
werden.
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