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Deutsche Umwelthilfe veröffentlicht Untersuchung zur behördlichen
Überwachung der Einfahrbeschränkungen in 43 Umweltzonen - Ernsthafte
Kontrollen nur in Berlin und Hannover - 35 Städte erhalten die "Rote
Karte" für nicht ausreichende Überwachung und Ahndung von Verstößen -
DUH-Bundesgeschäftsführer Resch: "Wir werden vom Dieselruß betroffene
Bürger vor Gericht unterstützen und eine wirksame Überwachung
einklagen" - DUH-Anwalt Klinger: "Ohne effektive Kontrollen drohen
Kommunen Bürgerklagen und drastische Strafzahlungen"
Sie richten pflichtgemäß Umweltzonen ein, um dem Bannstrahl der EU zu
entgehen, zeigen anschließend aber wenig Interesse an einer
effektiven Kontrolle und Durchsetzung der selbst erlassenen Regeln.
Das ist das zentrale und ernüchternde Ergebnis einer Umfrage, die die
Deutsche Umwelthilfe e.V. (DUH) unter 43 Städten durchgeführt hat,
die in den letzten Jahren Umweltzonen in ihren hoch mit Feinstaub und
Stickstoffdioxid (NO2) belasteten Zentren ausgewiesen haben. Eine
Überwachung der Einfahrbeschränkungen durch Kontrolle der
vorgeschriebenen verschiedenfarbigen Plaketten findet in den meisten
Kommunen überhaupt nicht oder nur in eher symbolischem Rahmen und
ohne Sanktionen statt.
"Die Ergebnisse unserer Umfrage sind unbefriedigend. Offensichtlich
ist bei vielen Kommunalpolitikern noch nicht angekommen, dass auch
die mangelnde Kontrolle einer eingerichteten Umweltzone zu
Strafzahlungen an die EU in Millionenhöhe führen kann. Während die
Bundeshauptstadt Berlin mit der konsequenten Einrichtung,
Scharfstellung und Kontrolle ihrer Umweltzone die Dieselrußemissionen
drastisch reduzieren konnte, läuft die Mehrzahl der Umweltzonen noch
in einer Art 'Spielbetrieb'. Vielerorts dürfen selbst Fahrzeuge mit
roter Plakette einfahren, werden großzügig Ausnahmegenehmigungen
erteilt und eine Kontrolle findet praktisch nicht statt", sagt
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch.
Nur zwei der 43 befragten Städte mit Umweltzonen - Berlin und
Hannover - erreichten bei der Umfrage die nach einem Punktesystem
vergebene "Grüne Karte" für das ernsthafte Bemühen, die Regelungen
der Umweltzonen durch Überwachung des ruhenden und fließenden
Verkehrs sowie Sanktionen im Fall von Verstößen durchzusetzen. Berlin
und Hannover, beide seit 2008 Vorreiter des Instruments "Umweltzone",
lassen seit 2010 nur noch Fahrzeuge mit grüner Plakette in ihre
Umweltzonen einfahren. Sie führen sowohl im ruhenden als auch im
fließenden Verkehr Kontrollen zur Einhaltung der geltenden Regelungen
durch. Auf der DUH-Skala von 0 bis 5 Punkten erhalten sie jeweils die
Höchstpunktzahl. Sechs weitere Städte - Frankfurt, Augsburg, Neu-Ulm,
Wuppertal und Leipzig - erreichten jeweils drei oder vier Punkte und
erhalten immerhin die "Gelbe Karte". Diese Kommunen überwachen in der
Regel die Einhaltung der Bestimmungen bei geparkten Fahrzeugen,
vernachlässigen aber die Kontrolle und die Ahndung von Verstößen im
fließenden Verkehr.
Als erschreckendes Ergebnis wertet Resch die Tatsache, dass 35 von 43
Umweltzonen nicht wirksam kontrolliert werden. Sie erhielten daher
von der DUH die "Rote Karte". Im Detail gibt es dennoch in dieser
Gruppe Unterschiede bezüglich der Art und Effektivität der Kontrolle.
Während 12 der 15 mit der "Roten Karte" belegten
nordrhein-westfälischen Städte noch ein oder zwei Punkte für ihr
Kontrollverhalten erhalten, sind es bei den 18
baden-württembergischen Städten nur vier, die mit einem oder zwei
Punkten bewertet wurden. 14 Städte im Ländle erhalten überhaupt
keinen Punkt, in diesen Umweltzonen wird praktisch überhaupt nicht
kontrolliert und sei es nur, weil sie bei den Regierungspräsidien die
Zuständigkeit zur Kontrolle des ruhenden Verkehr entweder noch gar
nicht oder erst kürzlich beantragt haben. Sieben Städte und Gemeinden
im Süden verzichten schließlich auf jede Kontrolle des ruhenden
Verkehrs.
Sollte die Mehrheit der von hohen Luftschadstoffbelastungen
betroffenen Kommunen ihre Bemühungen zur Entlastung ihrer Bürgerinnen
und Bürger weiter so lax handhaben wie es die vorliegende Umfrage der
DUH vermuten lässt, stehe Deutschland vor einer neuen Klagewelle zur
gerichtlichen Durchsetzung des Anspruchs auf saubere Luft, erklärte
Rechtsanwalt Dr. Remo Klinger, der mit der DUH das "Recht auf saubere
Luft" für Privat- und juristische Personen bereits 2008 vor dem
Europäischen Gerichtshof erstritten hatte. Klinger: "Das EU-Recht ist
nicht zahnlos. Es stellt nicht nur Grenzwerte auf, sondern
verpflichtet die Behörden auch zu einer effektiven Kontrolle der
ergriffenen Maßnahmen. Behörden, die Verstöße mehr oder weniger
sanktionslos dulden, müssen mit Klagen von Bürgern und drastischen
Strafzahlungen rechnen."
Die Ergebnisse der DUH-Umfrage stoßen auch bei der EU-Kommission auf
großes Interesse. Hier wird derzeit geprüft, welche Kommunen
beziehungsweise Bundesländer sich ernsthaft bemühen, die
EU-Luftreinhalterichtlinie umzusetzen - und wer nur so tut. So
schneiden alle 18 baden-württembergischen Städte mit Umweltzone mit
der schlechtesten Bewertung ab. Gleichzeitig überschritten zehn von
ihnen im vergangenen Jahr 2010 den zulässigen Grenzwert für Feinstaub
von 50 µg/m³ an mehr als 35 Tagen. Dies waren Stuttgart, Reutlingen,
Heilbronn, Leonberg, Ludwigsburg, Tübingen, Ulm, Pleidelsheim,
Herrenberg und Mühlacker. "Die Deutsche Umwelthilfe hat die
EU-Kommission aufgefordert, gegen Deutschland ein
Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, weil in vielen Umweltzonen
immer noch die Partikelgrenzwerte überschritten werden, ohne dass die
verantwortlichen Politiker der jeweiligen Kommune bzw.
Landesregierung alle geeigneten Maßnahmen ergriffen haben", erklärt
Resch. Umgekehrt zeigten die Beispiele Berlin und Hannover, dass sich
die Feinstaubwerte spürbar verbessern, wenn Plakettensünder mit
Sanktionen rechnen müssen. In Berlin sind insbesondere die toxischen
Dieselrußemissionen seit Einführung der Umweltzone um 58 Prozent
zurückgegangen.
Anhang/Link: Auswertung der DUH-Umfrage
http://www.duh.de/pressemitteilung.html?&tx_ttnews[tt_news]=2638
Hintergrund:
Die Deutsche Umwelthilfe hat zwischen März und Juni 2011 die
Verantwortlichen in insgesamt 43 deutschen Städten zu ihrem Vorgehen
bei der Ãœberwachung der jeweiligen Umweltzonen im Jahr 2010 befragt.
Gefragt wurden die Städte nach der Zuständigkeit, der für die
Kontrolle der Plakettensünder verantwortlichen Organe der Stadt.
Zudem betrafen die zentralen Fragen die Anzahl der festgestellten
Verstöße sowie die in der Folge ausgestellten Bußgeldbescheide, die
mit 40 Euro und einem Punkt in der Verkehrssünderkartei in Flensburg
belegt wurden. Abgefragt wurde außerdem, ob die Einhaltung der Regeln
beim ruhenden oder beim fließenden Verkehr überwacht wurde oder in
beiden Fällen. Unter den zahlreichen Städten ohne klare Zuordnung der
Kontrollverantwortung oder ohne ein erkennbares Interesse an einer
effektiven Durchsetzung der Umweltzonen, finden sich auch solche mit
sehr spezifischen Kontrollverfahren. So preist die Stadt Köln ihr so
genanntes "Kölner Modell" an, das einen regulären Bußgeldbescheid (40
Euro plus einen Punkt in Flensburg) für Verstöße gegen die
Plakettenpflicht erst nach dem vierten registrierten Verstoß
vorsieht. Bei den ersten beiden Verstößen bleibt es bei einer
mündlichen Verwarnung, beim dritten Verstoß sind lediglich 25 Euro
fällig. Die Deutsche Umwelthilfe findet die Kölner Interpretation der
Plakettenverordnung "rotwürdig".
Pressekontakt:
Jürgen Resch, Bundesgeschäftsführer Deutsche Umwelthilfe e.V.,
Hackescher Markt 4, 10178 Berlin, Mobil: 0171 3649170,
E-Mail: resch(at)duh.de
Dr. Remo Klinger, Rechtsanwaltskanzlei Geulen & Klinger,
Schaperstraße 15, 10719 Berlin, Tel. 030 88472-80,
Mobil: 0171 2435458, E-mail: klinger(at)geulen.com
Amrei Münster, Deutsche Umwelthilfe e.V., Hackescher Markt 4,
10178 Berlin, Tel. 030/2400 867 71, E-Mail: muenster(at)duh.de
Dr. Gerd Rosenkranz, Leiter Politik, Hackescher Markt 4,
10178 Berlin; Tel.: 030 2400867-0, Mobil: 0171 5660577,
Fax: 030 2400867-19, E-Mail: rosenkranz(at)duh.de