(ots) - Nach dem Blutrausch
Das Völkermordtribunal in Phnom Penh kann zwar nur ein Anfang
sein. Eine historisch einmalige Chance bietet der Prozess gegen vier
ehemalige Führungskader der Roten Khmer gleichwohl. Für die
Kambodschaner öffnet sich auf juristischem Weg eine Tür, sich mit
einem mörderischen Kapitel der eigenen Geschichte auszusöhnen.
Denn mehr als drei Jahrzehnte nach dem Blutrausch des
Pol-Pot-Terrorregimes sind die Wunden in der kambodschanischen
Gesellschaft noch immer unübersehbar. Die Roten Khmer haben in nur
vier Jahren die intellektuelle Elite des Landes ausgelöscht, weil sie
einen Bauernstaat frei von Banken, Bibliotheken und Schulen schaffen
wollten. Schon Brillenträger waren Todgeweihte. All das hat bis heute
Spuren der Angst und des Misstrauens hinterlassen.
Das Verfahren gegen Nuon Chea und seine Komplizen des
Horrorkabinetts verhilft aber nur dann dem Volk zu neuem Stolz, wenn
die mit früheren Kadern der Roten Khmer besetzte Regierung Hun Sen
das Tribunal nicht als Feigenblatt missbraucht und neue Verhandlungen
ausbremst. Mehr als 20 000 Mitläufer und Mörder der
Steinzeitmarxisten sind noch auf freiem Fuß. Der Prozess muss auch
Mahnung sein: nicht wegzuschauen, wenn Architekten des Todes am Werk
sind - egal, ob in Ruanda, in Serbien, Sudan oder Somalia.
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