(ots) - Beim Blick auf unseren guten, alten Kontinent kann
man trübsinnig werden. In der Eurozone kracht's; auf den Schengenraum
fällt der Schatten der Abrissbirne; die gemeinsame Außenpolitik, die
mit dem Lissabon-Vertrag ein politisches Eigenblut-Doping bekommen
sollte, ist kümmerlicher denn je. Europa ist auf dem Rückzug.
Miesmacher und Totengräber haben das Wort. Ob es um Schuldenkrise,
Ost-Erweiterung oder Migration geht - die Lufthoheit der EU-Verächter
ist nicht mehr auf den Stammtisch beschränkt, sie wabert überall, wo
Meinung gemacht oder zum Ausdruck gebracht wird. Das schließt die
Wahllokale ein. Dort haben sich die Nationalpopulisten zur
mitbestimmenden Kraft gemausert. Dabei ist zweitrangig, ob sie allein
regieren wie der Ungar Orban mit seiner Fidesz-Partei, ob sie
mitregieren wie die Dänin Kjaersgaard oder der Italiener Bossi, ob
sie eine Regierung verhindern wie der Belgier De Wever, ob sie eine
dulden wie der Niederländer Wilders oder bedrohen wie die Französin
Le Pen. Mitbestimmen tun sie allemal. Die "Wahren Finnen" sitzen in
Helsinki auf der Oppositionsbank. Doch das Programm der
Regierungskoalition sähe ohne sie anders aus. Polens
Ministerpräsident Donald Tusk, im zweiten Halbjahr EU-Chefmanager,
hat dazu eine bemerkenswerte Analyse beigesteuert. Die schlimmste
Form der Europa-Unlust werde nicht von denen verkörpert, die auf
alles dreschen, was mit "Brüssel" zu tun hat. Die eigentliche Gefahr
lauere in Gestalt derer, die stets unverbrüchliche Treue zu Europa
geloben, in der politischen Praxis aber die Axt an die Wurzeln des
Projekts legen. Das geht nicht nur gegen den dänischen Regierungschef
Rasmussen. Es geht auch gegen wachsweiche Europäer wie Angela Merkel,
die sich im kleinen Kreis über die unsägliche Stimmungsmache gegen
die Griechen empört, obwohl sie vor größerem Publikum in dasselbe
Horn tutet. Wenigstens haben zuletzt ein paar gewichtige Stimmen
Widerspruch eingelegt: Der scheidende EZB-Chef Trichet etwa oder
Ex-Bundespräsident von Weizsäcker. Die größte Hoffnung ruht indes auf
dem neuen EU-Vorsitzenden, dem Polen Tusk. Der hat in den letzten
Jahren vorgemacht, wie man Euroskepsis ins Abseits laufen lässt.
Fazit: Stimmungen sind kein Schicksal, sondern eine Aufgabe. Politik
ist die Kunst, Stimmungen zu beeinflussen, nötigenfalls zu drehen. In
Polen ist das gelungen - davon kann Europa lernen.
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