Claims Conference überlässt die Steindorff Sammlung dem Ägyptischen Museum der Universität Leipzig
(pressrelations) - anerkennt verfolgungsbedingten Entzug der Steindorffschen Sammlung.
Berlin/Frankfurt 22. Juni 2011. Nach den von der Claims Conference initiierten Gesprächen besteht nun Einigkeit mit dem Ägyptischen Museum der Universität Leipzig darüber, dass es sich beim Verkauf der Steindorffschen Privatsammlung im Jahr 1937 um einen verfolgungsbedingten Vermögensverlust gehandelt hat. Entsprechend den Prinzipien der Claims Conference bei der Rückerstattung von Kunst- und Kulturgütern werden die Stücke der Sammlung im Einvernehmen mit den Nachkommen von Georg Steindorff dem Leipziger Ägyptischen Museum, das seinen Namen trägt, überlassen. "Die Claims Conference begrüßt die gütliche Einigung über die Sammlung Steindorff mit dem Ägyptischen Museum Leipzig", so der Vorsitzende der Organisation, Julius Berman.
"Wichtig ist uns hier die Feststellung des verfolgungsbedingten Entzuges. Das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin ist ein besonderes Signal für alle Museen, Galerien und Auktionshäuser, ihrer Selbstverpflichtung nach den Washingtoner Prinzipien von 1998 und der Theresienstädter Erklärung von 2009 nachzukommen" sagte Roman Haller, der Deutschland Direktor der Claims Conference Nachfolgeorganisation. "Die Sammlung Steindorff hat erneut bewiesen, dass die Provenienzforschung für alle Museen unerlässlich ist", so Roman Haller weiter "Die Umstände, wie Kulturgüter in die Museen gelangt sind, müssen transparent sein, das sind wir insbesondere den Verfolgten schuldig."
Der Restitution von Kunst- und Kulturgütern gilt seit langem die besondere Aufmerksamkeit der Claims Conference. Die Claims Conference hatte maßgeblich bei der Formulierung der Washingtoner Grundsätze mitgewirkt, die die Restitution von während der NS-Zeit geraubten Vermögenswerten regeln. Die internationale Selbstverpflichtung zur Rückgabe von geraubten Kunstwerken wurde auf einer Konferenz in Prag im Frühsommer 2009 von 47 Staaten bekräftigt.
"Nur die Anerkennung der historischen Wahrheit führt zu fairen und gerechten Lösungen im Bereich der Restitution von Kunst- und Kulturgütern", sagte Greg Schneider, Executive Vice President der Claims Conference. "Gerade aufgrund der hohen emotionalen Bindung, die Kunst- und Kulturgüter im Familiengedächtnis haben, sehen unsere Regularien vor, dass wir diese Objekte nicht einbehalten." Mit dem Verbleib der Exponate im Museum soll dem ausdrücklichen Willen des Enkels entsprochen werden. Kunst- und Kulturgegenstände, die bisher an die Claims Conference restituiert wurden, konnten in der Vergangenheit an die Familien zurückgegeben werden oder es wurden einvernehmliche Lösungen gefunden.
1939 musste Prof. Georg Steindorff (1861-1951) seine Privatsammlung vor seiner Emigration verkaufen. Das Bundesamt für zentrale Dienste und offene Vermögensfragen hatte die hochkarätige altägyptische Sammlung des weltbekannten Archäologen Georg Steindorff der Claims Conference zugesprochen. Die Claims Conference ist nach dem Vermögensgesetz Rechtsnachfolgerin für nicht angemeldetes Vermögen, das den Eigentümern aufgrund der nationalsozialistischen Judenverfolgung im Gebiet der späteren DDR entzogen worden war. Das Verwaltungsgericht Berlin hatte am 26. Mai 2011 diese Restitution bestätigt.
Die Conference on Jewish Material Claims Against Germany (Claims Conference) ist der 1951 gegründete Dachverband 24 internationaler jüdischer Organisationen. Sie vertritt die Interessen der jüdischen Gemeinschaft bei Verhandlungen zur Entschädigung von NS-Opfern und deren Erben. Im Auftrag der Bundesregierung verwaltet die Claims Conference verschiedene Härtefonds und ist Rechtsnachfolgerin für erbenloses und nicht beanspruchtes jüdisches Vermögen in den neuen Bundesländern. Mit den Verkaufserlösen aus erbenlosem Vermögen fördert sie weltweit eine Fülle von Sozialprogrammen für Überlebende des Holocaust sowie Programme, die der Erinnerung an die Schoah und deren Erforschung gelten.
Hintergrund: Keine Umdeutung der Geschichte
Die Claims Conference kann eine Umdeutung der Geschichte nicht hinnehmen und legt besonderen Wert auf die Feststellung des verfolgungsbedingten Entzugs der Sammlung.
In ihrer Klage gegen die Entscheidung des BADV, Objekte der Steindorffschen Sammlung der Claims Conference zuzusprechen, ist es der Universität Leipzig nicht gelungen, den verfolgungsbedingten Verlust zu widerlegen. Dabei wurde versucht, Professor Steinberg eine privilegierte Stellung zuzuschreiben.
Dies ist befremdlich, schreibt doch die Universität in der am 15. Mai 2008 herausgegebenen Pressemitteilung bei der Benennung des Ägyptologischen Instituts nach Georg Steinberg: "das Ende der akademischen Laufbahn Steindorffs" sei "überschattet vom inzwischen politisch arrivierten Antisemitismus des Nazistaates. Steindorffs Emeritierung am 31. März 1934 erfolgte zwar regulär, war aber verbunden mit dem Verbot weiterer Vorlesungstätigkeit. 1937 wurde ihm die seit 1907 ausgeübte Herausgeberschaft der Zeitschrift für Ägyptische Sprache und Altertumskunde entzogen. Am 29. März 1939 wanderte der 78jährige Georg Steindorff mit seiner Familie in die USA aus, wo er sich (?) jedoch keines ausreichenden Einkommens erfreute." Rentenbezüge wurden Steindorff teilweise noch bezahlt, doch auf einem Reichsmarksperrkonto, auf das er aus den USA keinen Zugriff hatte.
Das Ägyptologische Institut wurde von Steindorff maßgeblich geprägt. "Die Verbindung seines Namens mit dem 'seines' Ägyptologischen Institutes und Ägyptischen Museums nicht allein die Würdigung der grundlegenden Verdienste Georg Steindorff dar, sie ist zugleich ein symbolischer Akt historischer Rehabilitation dieses aus Deutschland vertriebenen Gelehrten und Leipziger Bürgers" so die 2008 herausgegebene Pressemitteilung der Universität Leipzig.
Obwohl sich Professor Steindorff als Student hatte taufen lassen und sich selbst nicht als Jude verstand, musste er sich während seiner Karriere immer wieder gegen antisemitische Anwürfe wehren.
Trotz der hohen Verdienste Georg Steindorffs für die Leipziger Universität und trotz der guten Beziehungen über die er verfügte, war die Flucht ins Ausland die einzige Rettung für seine Familie. Steindorffs Schwester, verheiratete Oppenheimer, floh schon früher mit ihrer Familie in die USA.
Wäre er in Leipzig geblieben, ist es mehr als wahrscheinlich, dass Steindorff ein ähnliches Schicksal erwartet hätte, wie das seines Kollegen Dr. phil. Siegmund Hellmann Professor für Mittelalterliche Geschichte in der Philosophischen Fakultät der Universität Leipzig, der im Dezember 1942 in Theresienstadt ermordet wurde.
In Leipzig lebten im Juni 1933 11.564 Juden, 1939 waren es nur noch knapp 4200. Im April 1942, nur einen Tag nach den Beschlüssen der Wannsee Konferenz, wurden 702 Juden aus Leipzig nach Riga deportiert. Deportationen aus Leipzig fanden noch im Februar 1945, nach der Befreiung Auschwitz, statt. Lediglich 24 Juden konnten in Leipzig im Versteck überleben.
Die Qualität der Provenienzforschung bemisst sich daran, dass die betroffenen Institute sich der historischen Realität stellen und nicht in erster Linie nach den Interessen des Sammlungsbestandes schielen. Nur so können faire und gerechte Lösungen erreicht werden.
Für Anfragen der Medien:
Cornelia Maimon Levi
Press(at)claims-frankfurt.de
Tel: +49 69 97070832