PresseKat - Rundfunk- und Telemedien-Prüffälle der KJM im zweiten Quartal 2011

Rundfunk- und Telemedien-Prüffälle der KJM im zweiten Quartal 2011

ID: 449529

(ots) - Die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) hat im
zweiten Quartal 2011 insgesamt 47 Verstöße gegen die Bestimmungen des
Jugendmedienschutz-Staatsvertrags (JMStV) festgestellt. 37 davon
kommen aus dem Rundfunk-, 10 aus dem Telemedienbereich. Bei der
Aufsicht über den Rundfunk arbeitet die KJM Hand in Hand mit den
Landesmedienanstalten: Sie beobachten, prüfen und bewerten potenziell
problematische Rundfunkangebote und leiten - bei Feststellen eines
Anfangsverdachts auf einen Verstoß gegen den JMStV - der KJM die
entsprechenden Prüffälle zur Entscheidung zu. Im Internetbereich
unterstützen jugendschutz.net und die Landesmedienanstalten die KJM
bei ihren Aufgaben: So treten jugend-schutz.net oder auch die
Landesmedienanstalten bei der Annahme von Verstößen vorab an die
Anbieter heran und fordern, entsprechende Inhalte freiwillig
herauszunehmen. Auf diese Weise können viele Internet-Fälle ohne
aufwändiges Verfahren geklärt werden. Erst bei Nichtabhilfe oder in
besonders schweren Fällen schreitet die KJM ein. Sowohl im Rundfunk-
als auch im Telemedienbereich kann die KJM nur gegen Anbieter mit
Sitz in Deutschland vorgehen. Indizierungen fallen in das
Aufgabengebiet der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien
(BPjM). Die KJM ist in dem Zusammenhang einerseits für die Abgabe von
Stellungnahmen zu Indizierungsanträgen im Bereich der Telemedien
zuständig und kann andererseits selbst Indizierungsanträge stellen.

Rundfunk

Eine Sendung, viele Verstöße: Im zweiten Quartal 2011 betraf der
Großteil der Rundfunk-Verstöße immer die gleiche
Scripted-Reality-Produktion "X-Diaries - love, sun & fun" (RTL 2).
Sie läuft montags bis freitags um 19 Uhr und wird in der Folgewoche
um 12 Uhr - direkt vor der Ausstrahlung verschiedener
Zeichentrickserien - wiederholt. Die Handlung denken sich




Drehbuchautoren aus, Laienschauspieler spielen sie nach. Das
erschließt sich insbesondere jüngeren Zuschauern allerdings nicht
unbedingt. Ihnen wird der Eindruck vermittelt, es handle sich um
"wahre" Geschichten:

Diese Geschichten erzählen die Erlebnisse deutscher Touristen in
Urlaubsorten wie Rimini oder Ibiza. Jede Woche werden vier neue
Urlaubergruppen vorgestellt, etwa Junggesellenrunden oder
abenteuerlustige Freundinnen. Im Mittelpunkt stehen dabei meist
Partys, Spaß, Beziehungs- und Familienkonflikte - gespickt mit
einschlägigen Klischees. Die einzelnen Episoden werden regelmäßig von
zum Teil freizügigen Bildern vom Strand- und Nachtleben unterbrochen
und mit Kommentaren wie "auf der Insel lassen die Urlauber alle Tabus
hinter sich" oder "Party machen ist das Ziel aller Urlauber"
versehen.

Im zweiten Quartal 2011 stellte die KJM eine
Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 16-Jährige (Sendezeitgrenze 22
bis 6 Uhr) in 11 "X-Diaries"-Fällen fest. Eine
Entwicklungsbe-einträchtigung für unter 12-Jährige (Sendezeitgrenze
20 bis 6 Uhr) stellte die KJM in 20 "X-Diaries"-Fällen fest. Die
Entwicklungsbeeinträchtigung begründete die KJM jeweils vor allem mit
der aufdringliche Darstellung der Themen Sex und Alkohol und der
derb-zotigen Sprachwahl. Aufgrund der für Heranwachsende nicht zu
erkennenden Fiktionalität der Sendung ist eine sozialethische
Desorientierung für unter 16-Jährige oder für unter 12-Jährige zu
befürchten.

Keine dieser Folgen hatte RTL 2 vorab der Freiwilligen
Selbstkontrolle Fernsehen (FSF) vorgelegt. Das hat sich aufgrund der
Entscheidungen - und nicht zuletzt wegen der damit verbundenen
Maßnahmen - der KJM jetzt geändert: Alle aktuell laufenden Folgen
prüfte die FSF vor Ausstrahlung, so dass die jetzige Staffel aus
Sicht der KJM bisher jugendschutzrechtlich unproblematisch ist.

16 von insgesamt 60 problematischen "X-Diaries"-Folgen befinden
sich noch im Prüfverfahren der KJM.

Zu den weiteren Rundfunk-Verstößen im zweiten Quartal 2011:

Eine Folge der Wrestlingshow "TNA Impact!", die ohne Vorsperre auf
Sky (Kanal Sport 2) um 22.15 Uhr lief, bewertete die KJM mit
Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 18-Jährige (Sendezeitgrenze 23
bis 6 Uhr). Die in der Sendung enthaltene Gewalt geht über das
hinaus, was bei Wrestling als genretypisch einzustufen ist. Es
besteht daher die Gefahr einer sozial-ethisch desorientierenden
Wirkung auf Zuschauer unter 18 Jahren.

Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 16-Jährige (Sendezeitgrenze
22 bis 6 Uhr) stellte die KJM bei der Episode "XXX Wife" der
Animationsserie "Stroker and Hoop" (ohne Vorsperre auf TNT Serie, um
6 Uhr) fest. Die Episode hatte der FSF zur Prüfung vorgelegen und war
für das Spätabendprogramm ab 22 Uhr freigegeben worden. Die KJM
teilte die Einschätzung der FSF aufgrund der durchgehend
sexualisierten Handlung prinzipiell: Zwar werden sexuelle Handlungen
meist nur angedeutet, doch die Sprache ist über weite Strecken sehr
vulgär. Hinzu kommen die mehrfache Andeutung von sexuellen Handlungen
sowie Anspielungen auf absolut unzulässige Inhalte wie Sodomie. Auch
wenn es sich bei der Serie um eine Parodie auf so genannte "Buddy
Cop"-Serien handelt, kann sich das aus Sicht des Jugendschutzes
allenfalls auf Zuschauer ab 16 Jahren relativierend auswirken.

Auch eine Liveberichterstattung zu einem "Geiseldrama in Manila",
die im Tagesprogamm von N24 um 13.45 Uhr lief, stufte die KJM als
entwicklungsbeeinträchtigend für unter 16-Jährige ein. Es wurde über
das blutige Ende einer Geiselnahme berichtet, Live-Bilder des
philippinischen Fernsehens übernommen und aus dem Off kommentiert.
Dabei zeigte der Sender in mehreren Einstellungen - auch in
Nahaufnahme - die Leiche des erschossenen Geiselnehmers, sowie die
geborgenen, teils toten Geiseln. Die KJM ist der Meinung, dass
Zuschauer unter 16 Jahre noch nicht die Kompetenz im Umgang mit
Nachrichten haben, die für die Verarbeitung solch belastender Bilder
notwendig ist. Da Live-Angebote der Selbstkontrolle nicht vorab
vorgelegt werden können, musste die KJM vor der Entscheidung über
Maßnahmen zunächst die FSF befassen. Die FSF sah bei dem Angebot
jedoch keine Beeinträchtigung für Kinder und Jugendliche.
Rechtsaufsichtliche Schritte waren hier daher nicht zulässig.

In drei weiteren Fällen stellte die KJM eine
Entwicklungsbeeinträchtigung für unter 12-Jährige fest:

Bei einer Episode mit dem bezeichnenden Titel "Over the Rainblow"
der US-Comedyserie "The Hard Times of RJ Berger", die Viva um 17.15
Uhr ausstrahlte. Die Serie dreht sich um eine Gruppe von High School
Schülern. Im Mittelpunkt steht der sozial eher inkompetente,
unauffällige und nicht sehr attraktive RJ Berger. In der genannten
Folge bekommt RJ eine neue Nachbarin und Mitschülerin, mit der er Sex
haben will. Die KJM stellte fest, dass die Episode sexuelle Themen
enthält, die dem Entwicklungsstand von Kindern unter 12 Jahren nicht
entsprechen und von ihnen nicht eingeordnet werden können.
Beispielsweise werden Oral- und Analverkehr thematisiert,
Vulgärsprache ist der vorliegende Umgangston. Die Sendung hatte der
FSF vorgelegen und war für das Tagesprogramm freigegeben worden. Auch
in dem Fall kann die KJM keine Maßnahmen ergreifen, da die FSF ihren
Beurteilungsspielraum nicht überschritten hat.

Eine Ausgabe der Doku-Soap "Der Promi-Trödeltrupp" (RTL 2, 17 Uhr)
zeigte, wie die Prostituierte Molly Luft verschiedene einschlägige
Gegenstände aus ihrem Besitz zu Geld macht. Dabei wird Prostitution
positiv dargestellt. Zudem zeigt RTL 2 verschiedene Sexualpraktiken
in Formen, die junge Zuschauer bei der Entwicklung ihrer eigenen
Sexualität beeinträchtigen können. Die Sendung enthält zudem eine
Fülle von zweideutigen Anspielungen. Daher bewertete die KJM das
Angebot als entwicklungsbeeinträchtigend für unter 12-Jährige.

In der Pro Sieben-Nachrichtensendung "Newstime" um 18 Uhr wurde
über den preisgekrönten Spielfilm "Lebanon" berichtet. In dem
zugehörigen Trailer zum Film reiht sich ein gewalttätiges Ereignis an
das nächste. Der Nachrichtenbeitrag zeigte Ausschnitte daraus und
kommentierte sie mittels Vergleichen zu realen Kriegsereignissen.
Dadurch wurde Authentizität suggeriert. Die KJM sah vor allem
aufgrund der Verquickung von Nachrichten und Filmausschnitten mit
großer Realitätsnähe für Kinder unter 12 Jahren keine Möglichkeit,
Realität und Fiktion zu trennen. Daher ist davon auszugehen, dass
unter 12-Jährige von diesen schockierenden Bildern nachhaltig
beeinträchtigt werden.

Telemedien

Die Jugendschutzrelevanz von Internet-Inhalten ist in der Regel
ungleich höher als die von Fernseh-Sendungen. Weil Angebote im Netz
außerdem nicht nur zu einem bestimmten Zeitpunkt, sondern meist über
einen längeren Zeitraum online sind, berichtet die KJM über die
Verstöße in Telemedien anonymisiert:

Drei Angebote sind nach dem JMStV absolut unzulässig. Eines
leugnet den Holocaust und macht volksverhetzende Inhalte zugänglich,
eines zeigt Minderjährige in unnatürlich ge-schlechtsbetonter
Körperhaltung und eines verknüpft Sexualität und reale Gewalt.

Vier Verstöße beziehen sich auf Angebote, die einfache Pornografie
beinhalten. In Telemedien darf einfache Pornografie nur ausnahmsweise
innerhalb geschlossener Benutzergruppen zugänglich gemacht werden.
Ist das nicht der Fall, liegt ein Verstoß gegen den JMStV vor.

Drei Angebote stellen aufgrund entwicklungsbeeinträchtigender
Inhalte einen Verstoß gegen die Bestimmungen des JMStV dar: Die
Mehrheit davon zeigte zum Zeitpunkt der Beobachtung erotische Bilder
und explizite Schilderungen sexueller Vorgänge - auch bizarrer
Sexualpraktiken - unterhalb der Pornografieschwelle.

In 22 Fällen wurde das Verfahren eingestellt, da die
jugendschutzrelevanten Inhalte nach der Anhörung des Anbieters
entfernt worden und auch die weiteren Voraussetzungen für eine
Einstellung (kein absolut unzulässiges Angebot, kein
Wiederholungstäter) gegeben waren.

Die KJM beschloss - je nach Art und Schwere der Verstöße -
Beanstandungen, Untersagungen und/oder Bußgelder. Die entsprechenden
Verwaltungs- und Ordnungswidrigkeitenverfahren führen die jeweils
zuständigen Landesmedienanstalten durch. Strafrechtlich relevante
Inhalte gibt die KJM an die zuständigen Staatsanwaltschaften ab.

In 64 Fällen beantragte die KJM im zweiten Quartal 2011 die
Indizierung eines Telemedienangebots bei der BPjM. Die Anträge
bezogen sich zum Großteil auf Internetangebote mit pornografischen
Darstellungen. In weiteren 33 Fällen gab die KJM eine Stellungnahme
zu Indizierungsanträgen anderer antragsberechtigter Stellen bei der
BPjM ab, die von der BPjM bei ihrer Entscheidung maßgeblich zu
berücksichtigen sind.

Damit befasste sich die KJM seit ihrer Gründung im April 2003 mit
rund 4.250 Fällen - mit fast 870 im Rundfunk und 3380 in Telemedien.



Pressekontakt:
Für Rückfragen wenden Sie sich bitte an die Leiterin der
KJM-Stabsstelle, Verena Weigand, Tel. 089/63808-262 oder E-Mail
stabsstelle(at)kjm-online.de.


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