(ots) - Er war Teil einer Gesellschaft
Sein Anwalt fand heute keine anderen Worte für das, was er im
Kontakt mit ihm erlebt hat: Anders Breivik muss wohl geisteskrank
sein. Es gibt noch längst kein Gutachten, trotzdem ist dieser Gedanke
sicher schon vielen gekommen. Aber wenn es so wäre: Was würde das
bedeuten? Dass der Täter mit der Gesellschaft, aus der er kommt,
nichts zu tun hat? Dass er eine fatale Ausnahme ist, gegen die sich
niemand schützen konnte? Nein, das wäre zu leicht. Was immer diesen
Mann zum Massenmörder gemacht hat: Bevor er auf die Seite des
Wahnsinns wechselte, gehörte er zur norwegischen Gesellschaft. Einer
Gesellschaft, die schon seit Jahrzehnten über den richtigen Umgang
mit der Zuwanderung streitet.
Die Sozialdemokraten stehen für genau die Offenheit und Toleranz,
die Breivik so hasst. Die zweitgrößte Partei des Landes ist heute die
rechtspopulistische Fortschrittspartei, deren Mitglied er als
Jugendlicher war. Sie schürt Ängste vor einer "schleichenden
Islamisierung", mit Thesen, die bei uns erst mit Thilo Sarazzin
salonfähig wurden. Thesen töten nicht. Aber wenn bewusst mit den
Ängsten der Menschen gespielt wird, wenn Vorurteile als Fakten
präsentiert werden und wenn es konsensfähig wird, sich abfällig über
andere Menschen zu äußern - dann wird ein Klima der Feindseligkeit
geschaffen, das keiner brauchen kann. Ein Klima, in dem Hemmschwellen
sinken. Unter Umständen auch bei Geisteskranken.
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