Ein kritischer Kommentar
Aachen (fet) – Die Nährwertkennzeichnung ist zukünftig auf allen europäischen Produkten Pflicht, allerdings nicht wie von Verbraucherorganisationen gefordert in großen Lettern auf der Frontseite. Doch ist der vermeintliche Triumph der Lebensmittelindustrie nicht unterschwellig doch ein Gewinn für die Verbraucherinformation?
(firmenpresse) - Nach langem Ringen einigten sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union am 22. Juni 2011 auf eine einheitliche Lebensmittelkennzeichnung europäischer Produkte. Diese müssen in Zukunft verpflichtende Angaben vorweisen, welche Mengen an Kalorien, Fett, gesättigte Fettsäuren, Kohlenhydrate, Zucker, Eiweiß und Salz in 100 Gramm des Packungsinhaltes enthalten sind. Der Forderung von Verbraucherorganisationen, diese deutlich sichtbar auf der Vorderseite zu platzieren, kamen die Abgeordneten allerdings nicht nach. Für Verfechter des Verbraucherschutzes sieht das augenblicklich nach einem Sieg für die Lobbyarbeit der Lebensmittelindustrie aus. Doch ist es wirklich als Niederlage zu werten oder steckt in dieser Platzierung nicht sogar mehr Verbraucherfreundlichkeit als gedacht?
Steht die Nährwertkennzeichnung in großen Lettern auf der „Schokoladenseite“ einer Packung, könnte ein Großteil der Käufer verleitet sein, das Produkt lediglich nach dessen Nährwert zu beurteilen. Immerhin schoben zahlreiche Instanzen der Gesundheitsaufklärung in den letzten Jahrzehnten einzelne Nährstoffe und ganz besonders Kalorien so sehr in den Vordergrund, dass heute nicht mehr Nudeln und Würstchen auf den deutschen Tellern liegen, sondern Eiweiße, Kohlenhydrate und Fette. Wer etwas auf seine Gesundheit und sein Gewicht hält, der isst nicht mit dem Bauch, sondern ernährt sich mit dem Kopf. Und dieser interessiert sich – wie es uns Verbrauchersendungen und -zeitschriften lehrten – in erster Linie für die Kalorienbilanz und weniger für die Qualität der einverleibten Kalorien. Designernährstoffe wie modifizierte Stärken, chemisch gelightete Fette und Eiweißhydrolysate liefern zwar teilweise weniger Kalorien als natürliche Varianten, wirken sich aber anders auf den Stoffwechsel aus. Ein Tütenkartoffelbrei aus modifizierter Stärke lässt beispielsweise den Blutzucker nach dem Essen stärker ansteigen, als ein selbstgemachtes Püree aus gestampften Kartoffeln. Unser Rechenzentrum im Oberstübchen lässt sich belügen, unser Stoffwechsel nicht.
Die Nährwertkennzeichnung auf der Rückseite der Verpackung birgt den Vorteil, dass der interessierte Verbraucher die Packung vor dem Kauf umdreht. So fällt der Blick automatisch auch auf die Zutatenliste. Was dort an „Tüteninnereien“ aufgeführt ist, bestimmt die wahre Qualität des Inhaltes. Wer bemüht ist, diese zumindest zu überfliegen, entdeckt häufig „Zutaten“, die sonst in keinem Kochbuch zu finden sind. Oder wer würzt schon in der heimischen Küche mit Zitronensäure oder Mono- und Diglyzeriden? An dieser Stelle keimt die Hoffnung, dass sich beim Verbraucher die alte Volksweisheit durchzusetzt: „Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht“ und er seine Produktwahl nach den Zutaten und nicht nach dem Nährstoffgehalt trifft.
Redaktion: Dipl.troph. Marianne Reiß
Die Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention (FET) e.V. ist ein gemeinnütziger Verein, der die Ernährungssituation in Deutschland im Hinblick auf die Ernährungstherapie und Prävention ernährungsmitbedingter Erkrankungen analysiert und bestrebt ist, diese mit geeigneten Methoden fächerübergreifend zu verbessern.
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