(ots) - In einer Keynote auf der Medienwoche(at)IFA 11 und in
einem N24-Exklusiv-Interview hat Wikileaks-Gründer Julian Assange die
Veröffentlichung von Geheimdokumenten verteidigt. Im Interview mit
N24 sagte Assange:
"Wir sind eine Veröffentlichungs-Organisation. Wir versprechen
unseren Informanten, Dokumente zu publizieren. In diesem Fall gab es
eine besondere Verkettung von Ereignissen, sehr ungewöhnliche
Ereignisse. Wir hatten geplant, die große Mehrzahl der 250.000
geheimen Botschaften zu veröffentlichen. Mit der Veröffentlichung
hatten wir am 29.11. vergangenen Jahres begonnen und wollten sie bis
zum 29. November dieses Jahres abschließen. Nach einem Jahr wäre
alles zugänglich gewesen. Aber plötzlich mussten wir den Zeitplan
nach vorne verschieben. Damit haben wir auf Veröffentlichungen in
einem Buch geantwortet, das der "Guardian" herausgebracht hat - ohne
unsere Zustimmung. Dort wurde der verschlüsselte Code zu unserem
ganzen Archiv preisgegeben und im Internet verbreitet. Dieses Archiv
war bereits vorher im Internet zu finden, aber in verschlüsselter
Form - geschützt durch einen sehr geheimen Code, der normalerweise
zum Schutz von Akten benutzt wird, die vom US-Militär als "top
secret" eingestuft werden. Eine Decodierung wäre also für niemanden
ohne Kenntnis des Verschlüsselungs-Codes möglich gewesen. Aber der
Code war ja nun vom Guardian öffentlich gemacht worden - ein
Vertragsbruch, übrigens - und die deutsche Presse verbreitete diese
Nachricht. Wir mussten schnell handeln, damit nicht nur Geheimdienste
diese Dokumente einsehen konnten, sondern auch die Menschen, die in
dem Material erwähnt werden mussten die Geheimunterlagen von einer
autorisierten Quelle bekommen - genauso wie Journalisten und
Reform-Organisationen überall auf der Welt. Wir hatten also ein
Wettrennen in den vergangenen zwei Wochen zwischen despotischen
Regimes oder demokratischen Regimes mit Reformbedarf auf der einen
Seite, und Reformern, die das Material brauchten, um auf Reformen zu
drängen auf der anderen Seite."
In dieser Situation, so Assange weiter, habe es keine Alternative
mehr zur Veröffentlichung gegeben. Im N24-Interview sagte Assange:
"Wenn sie eine Situation haben, in der brisantes Material einer
Regierung zugänglich ist, kann sich diese Regierung neu aufstellen,
Beweise vernichten, etc. Es ist also sehr wichtig dafür zu sorgen,
dass dieses Material Journalisten und Reform-Aktivisten zugespielt
wird bevor es in die Hände von Regierungen gelangt. Als Resultat der
"Guardian"-Veröffentlichung waren wir in einer Situation, in der es
sehr wahrscheinlich war, dass das Material in die Hände solcher
Regimes gelangt war, nicht aber einer breiten Öffentlichkeit
zugänglich war. Allerdings hatten kurz zuvor einige Websites damit
begonnen, decodiertes Material zu veröffentlichen - decodiert mit
Hilfe des "Guardian"-Code-Schlüssels. Aber diese Webseiten sind nicht
unbedingt vertrauenswürdig. Also, warum mussten wir Material
veröffentlichen, wenn andere das schon längst getan hatten? Wir
mussten das veröffentlichen, damit die Menschen wissen, dass es sich
um authentisches Material handelt. Denn nur wenn Informationen
authentisch sind, können Journalisten vernünftig darüber schreiben -
und nur dann kann das Material auch in Gerichtsprozessen benutzt
werden."
Assange wehrte sich gegen Vorwürfe, er habe das Leben von
Regimekritikern leichtfertig aufs Spiel gesetzt. Im N24 Interview
sagte Assange:
"Wir hatten unsere Medienpartner vertraglich zur Verschwiegenheit
verpflichtet. Das war sehr zeitraubend und aufwändig. Das war ein
sehr kompliziertes System. Es gab ein Risiko, aber das Risiko wurde
überbewertet. Diese Vorwürfe haben wir bei jeder Veröffentlichung zu
hören bekommen. Wir haben über 4 1/2 Jahre in 120 Staaten
veröffentlicht, und wir haben niemals erlebt, dass jemand durch
unsere Veröffentlichungen zu Schaden kam. In diesem speziellen Fall
hat das U.S. State Department seine Informanten und Kollaborateure
schon im November und Dezember vergangenen Jahres gewarnt. ... Ich
gehe also davon aus, dass diese gefährdeten Menschen umgezogen sind
oder andere Schritte unternommen haben, um sich der Bedrohungslage zu
entziehen. Das heißt nicht, dass das in allen Fällen gelungen ist,
aber ich denke, dass die negativen Auswirkungen gering sind.. Auf der
anderen Seite sind aber die positiven Effekte sehr deutlich zu
spüren. Im vergangenen Monat gab es über 33.000 Artikel, die auf
unser Material zurückgehen - und das überall auf der Welt..."
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