(ots) - Die Hertie School of Governance hat heute eine
Studie über die wirtschaftlichen Auswirkungen des Zusammenschlusses
der Deutsche Börse AG mit der NYSE Euronext veröffentlicht. Verfasst
hat sie Prof. Dr. Henrik Enderlein. Enderlein, von 2001 bis 2003
Volkswirt an der Europäischen Zentralbank in Frankfurt, ist Professor
für Politische Ökonomie an der Hertie School und Experte für
europäische Wirtschaftspolitik sowie internationale Finanzmärkte. Die
Studie kommt zu dem Ergebnis, dass der Zusammenschluss eine Chance
für Europa bieten kann, die Finanzmarktarchitektur zu stärken und
verloren gegangenes Terrain gegenüber anderen Finanzplätzen
zurückzugewinnen. Vor allem unterstützt das Zusammengehen
regulatorische Bestrebungen nach höherer Stabilität und Transparenz
sowie die weitere gewünschte Konsolidierung des fragmentierten
europäischen Finanzmarkts. Auftraggeber der Studie ist die Deutsche
Börse AG.
1. Bessere Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Finanzplätze
Börsen stärken den jeweiligen Finanzplatz vor allem durch den
Zugang zum Kapitalmarkt sowie ihre international bekannten Marken.
Europa hat hier in den vergangenen Jahren im weltweiten Wettbewerb an
Boden verloren. So rutschte nach Angaben des Global Financial Centres
Index der Standort Frankfurt zwischen 2007 und 2011 von Rang 10 auf
14 der weltweiten Rangliste, Paris fiel von Position 11 auf 20.
Asiatische Handelszentren wie Hongkong, Singapur, Tokio oder Shanghai
machten im gleichen Zeitraum zum Teil große Sprünge und konnten viele
europäischen Standorte überholen. Eine fusionierte transatlantische
Börse, die eine globale Marke und den weltweiten Marktzugang für eine
Vielzahl europäischer Börsen schafft, kann nach Ansicht des Autors
die stark fragmentierte europäische Marktlandschaft konsolidieren und
durch ihre verbesserte Positionierung in globalen Wachstumsmärkten
damit die Wettbewerbsfähigkeit der betroffenen Finanzplätze in der
Welt eher stärken als schwächen. "Um weltweit Bedeutung zu behalten",
so Enderlein, "muss der europäische Finanzmarkt sich stärker als
Einheit sehen. Wenn alles so bleibt, wie es ist, dann ist fraglich,
ob er wettbewerbsfähig bleiben kann."
2. Erhöhte Finanzmarktstabilität und internationale Kooperation
der Regulierungsbehörden
Mittlerweile findet fast 90 Prozent des weltweiten Derivatehandels
außerhalb regulierter Börsenplattformen statt. Fehlender
regulatorischer Durchgriff, mangelnde Kollateralisierung und
unzureichende Transparenz bergen daher potenzielle Risiken. Eine
transnationale integrierte und regulierte Plattform für Handels- und
Nachhandelsgeschäfte ist nach Auffassung des Autors eine gute
infrastrukturelle Antwort auf die Instabilität der Finanzmärkte, die
vor allem durch den unregulierten, außerbörslichen Derivatehandel
entstanden ist. Mit der Schaffung einer starken, liquiden sogenannten
Central Counterparty (CCP) mit schlagkräftigem Risikomanagement unter
der Aufsicht des Euroraumes könnte der geplante Zusammenschluss von
Deutsche Börse und NYSE Euronext darüber hinaus helfen, eine
Schlüsselforderung der Europäischen Zentralbank umzusetzen. Auch
könne ein transatlantischer Zusammenschluss von der Marktseite dazu
beitragen, dass Regulierungsbehörden in Europa und den USA die
geplante engere Kooperation realisieren können. Damit stärke der
Zusammenschluss die Zusammenarbeit bei der Regulierung und biete
Chancen, ein weiteres "race to the bottom" zu verhindern, das aus
unterschiedlichen Regulierungsstandards und dem Regulierungsarbitrage
resultiert, schreibt der Autor. Enderlein: "Wir können weiter
zusehen, wie Börsentransaktionen in sogenannte ?Dark Pools? oder gar
OTC-Märkte ohne Regulierung abwandern. Oder wir können mit dem
globalen Marktführer starke Standards für beide Seiten des Atlantiks
setzen und damit die Stabilität der Finanzmärkte deutlich erhöhen."
3. Stärkere Finanzmarktintegration, Kosteneffizienz und
Harmonisierung
Die Fragmentierung der Märkte und die vergleichsweise höheren
Kosten internationaler Wertpapier-Transaktionen ziehen seit Jahren
Forderungen nach einer Konsolidierung europäischer Handelsplätze nach
sich. Die nun avisierte Schaffung einer paneuropäischen und
transatlantischen Börse könnte diese Konsolidierung nach Ansicht des
Autors weiter vorantreiben und dadurch auch die Funktionsfähigkeit
des europäischen Finanzmarktes stärken. Gerade im stark wachsenden
grenzüberschreitenden Handel lässt die Integration dieser Plattformen
durch Skaleneffekte weitere Kostenreduzierungen und erhöhte
Liquidität erwarten.
Auf Basis seiner Analyse empfiehlt Enderlein Politik und
Regulierungsbehörden, bei der Bewertung des Zusammengehens eine
übergreifende Perspektive einzunehmen und die Auswirkungen auf die
europäischen Märkte insgesamt im Blick zu behalten. Dazu Enderlein:
"Der Zusammenschluss bietet europäischen Entscheidungsträgern eine
Chance, ihre Bemühungen zur Schaffung eines stabileren und enger
integrierten europäischen Finanzmarktes voranzutreiben." Die Studie
"The Economic Impact of the Deutsche Börse-NYSE Euronext Merger on
the European Financial Markets? sowie zwei Infografiken finden Sie
unter www.hertie-school.org/enderlein/mergerstudy
Die Hertie School of Governance ist eine internationale Hochschule
für modernes Regieren in Berlin. Sie bereitet herausragend
qualifizierte junge Menschen auf Führungsaufgaben an den
Schnittstellen zwischen öffentlichem Sektor, Wirtschaft und
Zivilgesellschaft vor und versteht sich als Impulsgeber für die
öffentliche Debatte. An der Hertie School lehren und forschen
international anerkannte Sozial-, Wirtschafts- und
Rechtswissenschaftler. Interdisziplinarität, Internationalität und
hohe Praxisorientierung sind die Kennzeichen der Master-Studiengänge
an der Hertie School. Im Jahr 2003 von der Gemeinnützigen
Hertie-Stiftung gegründet, wird die Hochschule weiterhin maßgeblich
von der Stiftung getragen.
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