(ots) - Staatsschuldenkrise ist zweiter Teil der
Finanzkrise / Wahrscheinlich Schuldenreduktion durch Reflation /
Gefahr einer sich selbst erfüllenden Prophezeiung / Empfehlung, den
Euro-Rettungsschirm EFSF in eine Bank umzuwandeln
Für Thomas Mayer, Chefvolkswirt der Deutschen Bank, sind die
aktuellen Reaktionen an den Aktienmärkten die Fortsetzung der Krise.
"Die Märkte sind ein bisschen wie ein Manisch-Depressiver", sagte
Mayer im Interview mit dem Anlegermagazin 'Börse Online' (Ausgabe
38/2011, EVT 15. September). Was die Subprime-Kredite für den ersten
Teil der Krise gewesen seien, sei Griechenland für den zweiten.
Inzwischen habe sich die Krise zu einer Staatsschuldenkrise
gewandelt. "Es geht darum, die Verschuldung zurückzuführen."
Mayer zufolge tendiere das ganze System hin zur Schuldenreduktion
über Reflation, weil das die weniger schmerzhafte Variante sei. "Die
Notenbanken werden dafür eingespannt, das Geld so zu vermehren, dass
ein Geldüberhang und letztlich Inflation entsteht", vermutet der
Chefvolkswirt.
Die Rezessionsängste, die sich im Markt breitmachen, seien
wahrscheinlich übertrieben, andererseits aber verständlich. "Das
größte Risiko ist, dass die jetzt noch übertriebenen Ängste
Investoren und Konsumenten erfassen, diese ebenfalls Angst bekommen
und nicht mehr investieren und konsumieren", stellte der Ökonom fest.
Dann würden sich die Ängste der Märkte von selbst erfüllen.
Auf die Frage, wie sich dies vermeiden lasse, antwortet Mayer:
"Wir müssen wieder Vertrauen schaffen." Im Zentrum des Sturms stehe
die Eurokrise. Für sie müsse die Politik endlich Lösungen finden, die
Vertrauen zurückbringen. Die Beschlüsse des Eurogipfels vom 21. Juli
hätten dies nicht geschafft. Erstens sei die Solvenz Griechenlands
mit den beschlossenen Maßnahmen nicht hergestellt - das Land bleibe
insolvent. Zweitens sei unklar, was mit einem Land wie Italien
geschehen solle, das unter normalen Marktbedingungen solvent sei, das
sich aber in einer überschwänglichen Marktphase eine Schuldenlast
aufgeladen habe, die in einem depressiven Marktumfeld nicht mehr
"gerollt" werden könne.
Mayer schlägt vor, die EFSF - den Euro-Rettungsschirm - zu einer
Bank auszubauen. Die könnte dann, falls ihre Finanzmittel nicht
reichen, Kredite von der EZB bekommen. Damit bliebe die EZB eine
Zentralbank, die der Preis- und Finanzmarktstabilität verpflichtet
sei und Kredite nur an eine EU-Institution vergeben würde. "Diese
wäre dafür verantwortlich, dass sich bei einer Intervention die
Regierung, die davon profitiert, auch entsprechend verhält", sagte
Mayer.
Das Problem bei Staatsanleihen-Käufen durch die EZB sei, dass sie
damit den Spaltpilz in die Notenbank trage. "Schon zwei Mal wurden
die deutschen Vertreter im EZB-Rat überstimmt." Strukturell hätten
dort die Südländer die Stimmenmehrheit. "Wenn man die EZB nicht aus
der Staatsschuldenproblematik heraushält, driftet sie möglicherweise
in die Rolle eines Staatsfinanzierers hinein", warnte der
Deutsche-Bank-Chefvolkswirt.
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