(ots) -
- Ungleichgewicht bei der Gewinnverteilung in Europa wächst
- Große Lieferanten profitieren vom Informationsvorsprung
- Händler schöpfen Analysemöglichkeiten nicht hinreichend aus
- Nur die Besten sind auf Augenhöhe mit den Markengiganten
Toplieferanten in Europa sichern sich in den Jahresgesprächen
einen immer größeren Anteil am Systemgewinn. Viele Einzelhändler
schaffen es trotz ihrer Größe und Marktbedeutung nicht, ihren
exklusiven Kundenzugang in griffige, unwiderlegbare Argumente
umzusetzen und als Vorteil gegenüber den Toplieferanten auszuspielen.
Die Markengiganten wiederum kontrollieren mit gezielten Markt- und
Markenanalysen die Jahresgespräche. Dieses Ungleichgewicht können nur
diejenigen Händler umkehren, die vorhandene Informationsdefizite
beheben. Dies, so zeigt die Oliver Wyman-Studie "Teure Schwächen in
den Konditionenverhandlungen", erfordert gezielte Investitionen in
Prozesse und Tools. Sie sind die Voraussetzung dafür, den
Markengiganten mit effektiven Argumenten auf Augenhöhe zu begegnen.
Die Information wird zum zentralen Faktor. Sie entscheidet im Einkauf
über den Erfolg von morgen.
Das Ringen um Profit zwischen Händlern und Lieferanten findet
traditionell in den Jahresgesprächen seinen Höhepunkt. Dort, das
ergibt die aktuelle Oliver Wyman-Studie, schneiden die Toplieferanten
systematisch und strukturell besser ab. So verschiebt sich der
Systemgewinn der weltweit 100 größten Händler und Hersteller seit
2007 immer stärker zugunsten der Markengiganten. Hatten sie damals
einen Anteil von 60,4 Prozent, lag dieser 2010 schon bei 66,8
Prozent. Im Gegenzug rutschten die Händler drastisch ab - von 39,6
Prozent im Jahr 2007 auf 33,2 Prozent 2010. "Allein in den
vergangenen drei Jahren haben die großen Lieferanten den Händlern
dadurch weltweit rund 17 Milliarden Euro an Profit abgenommen",
betont Rainer Münch, Handelsexperte bei Oliver Wyman. "Dies ist umso
bemerkenswerter, da die Händler die Endkundenhoheit haben und ihre
Verhandlungsposition deshalb eigentlich ausgezeichnet ist."
Aus Sicht der Einkaufsverantwortlichen großer europäischer Händler
in den Sektoren Lebensmitteleinzelhandel, Drogerien und Baumärkte
sind die Toplieferanten auf die Jahresgespräche besser vorbereitet.
Zwar sind 60 Prozent der befragten Händler überzeugt, dass die
Vorbereitung von Verhandlungen bei ihnen mit ausreichend Zeit,
Ressourcen und Tools erfolgt. Doch nur 20 Prozent halten sich für
besser gerüstet als die großen Markenlieferanten. Diese reißen die
Verhandlungsführung damit entsprechend häufig an sich.
Tatsache ist, dass die Händler der analytischen Vorbereitung der
Jahresgespräche zu wenig Priorität einräumen. So bieten nur 50
Prozent der Befragten ihren Einkäufern eine starke zentrale
analytische Unterstützung vor und während der Verhandlung an. Diese
allerdings beschränkt sich häufig auf Basisanalysen. Bei gerade mal
20 Prozent sind die erforderlichen Analysen automatisiert. "Stünden
die nötigen Daten auf Knopfdruck zur Verfügung, hätten die
Einkaufsmanager es deutlich leichter", erklärt Jens Torchalla,
Mitautor der Studie. "Immerhin verhandeln sie durchschnittlich mit 50
Lieferanten, während die Vertriebsmitarbeiter der Hersteller in der
Regel nur wenige Händler betreuen und damit nur einen Bruchteil an
Gesprächen zu führen haben."
Chancen bleiben ungenutzt
Von den befragten Einkaufsverantwortlichen sind 65 Prozent der
Meinung, dass sie in den Jahresgesprächen den Prozess treiben. Zudem
nutzen 60 Prozent eine vorab definierte Verhandlungsstrategie und
-taktik. Doch die meisten Händler schöpfen Analysemöglichkeiten nicht
hinreichend aus. Sie beschränken sich auf traditionelle
Verhandlungsmechanismen, indem sie der Industrie pauschale
Vergünstigungen abverlangen, Gegenleistungen verkaufen oder eine
lange Liste von Konditionenarten abarbeiten. Vielen gelingt es nicht,
ihren exklusiven Kundenzugang am Point of Sale in griffige,
überzeugende und unwiderlegbare Argumente umzusetzen und bei den
Herstellern einen entsprechenden Ausgleich von Performance-Defiziten
einzufordern.
Nur 30 Prozent der Befragten berechnen systematisch den
Deckungsbeitrag der geführten Marken relativ zur in Anspruch
genommenen Verkaufsfläche. Dabei liefern speziell diese Daten
effektive Argumente gegen die ausufernde Variantenvielfalt großer
Marken und für eine bessere Wirtschaftlichkeit als Ausgleich für die
Verwässerung der Flächenleistung. Lediglich 25 Prozent der Befragten
gehen bei der Analyse von Aktionen über eine Abschätzung der direkten
Kannibalisierung vergleichbarer Produkte hinaus. Damit bestimmen die
meisten Händler weder Verbundeffekte noch Bevorratung. Entsprechend
können sie die gängige Argumentation der Lieferanten nicht
entkräften, dass Aktionen auf ihre Leader-Artikel viele neue Kunden
in die Märkte locken und Konsumenten diese dann mit vollen
Einkaufswagen wieder verlassen. Mit einer fundierten Analyse könnten
die Händler dagegen ermitteln, welche Produkte nur vermeintlich
Verbundeffekte erzielen. Schließlich werten lediglich 15 Prozent der
befragten Händler mit Kundenkarten diese Daten systematisch zur
Verhandlungsvorbereitung aus. Auf diese Weise vergeben sie eine große
Chance, den Herstellern aufzuzeigen, welche Werthaltigkeit ihre
Marken aus Sicht der Kunden tatsächlich haben.
Zeit zu handeln
Nur wenigen Händlern in Europa gelingt es Jahr für Jahr, auf
Augenhöhe mit den Toplieferanten zu verhandeln. Das Gros der Händler
muss grundlegend umdenken. Die Bedeutung von Größe und Volumen im
Einkauf nimmt ab. Vielmehr werden Vorbereitung und Informationshoheit
zum Schlüsselelement, um sich in Verhandlungen erfolgreich
durchsetzen zu können. Am Aufbau hoher analytischer Kompetenz führt
deshalb kein Weg vorbei. Dies wiederum erfordert gezielte
Investitionen in Prozesse, Tools und Organisationen. "Die Zeit
drängt", so Münch. "Die Schere bei der Gewinnverteilung wird weiter
auseinandergehen. Bis 2015 könnte der Anteil der Händler auf 25
Prozent abschmelzen."
ÃœBER OLIVER WYMAN
Oliver Wyman ist eine international führende Managementberatung
mit weltweit 3.000 Mitarbeitern in mehr als 50 Büros. Weitere
Informationen finden Sie unter www.oliverwyman.com/de .
Pressekontakt:
Andrea Steverding
Manager Corporate Communications
Oliver Wyman
Marstallstraße 11
80539 München
Tel.: 089 939 49 763
Fax: 089 939 49 515
andrea.steverding(at)oliverwyman.com