(ots) - "Wenn Leute zu Ikonen werden, dann vergessen wir,
dass sie menschliche Wesen sind. Dass sie müde werden, deprimiert
sind, dass sie sich fett vorkommen - kurz, dass sie so sind wie wir
alle." Sagt Madonna. Wieso spricht sie von "wir"? Hat sie vergessen,
dass sie selbst eine Ikone ist? Natürlich nicht. Als sie zum
Interview hereinrauscht, marschiert ein Bodyguard voraus, zwei
sichern die Flanke und als Nachhut wieselt ein Tross von Domestiken
in die Suite des Hyatt Park Hotels. Alles Leute, die dazu da sind,
vor der Öffentlichkeit zu verbergen, dass Madonna & Co sich müde
fühlen oder deprimiert sind. Steht das denn nicht im Widerspruch zu
ihrem Satz oben? "Nein", weist sie patzig zurück, "ich habe ja auch
nicht die Möglichkeit, Sie deprimiert zu sehen." Aber Madonna ist
schließlich auch nur - siehe oben - ein menschliches Wesen. Und wer
für sein Regiedebüt so viel Kritik bekommt wie sie, dem kann das
schon einmal die Laune verderben. Ob beim Filmfestival in Venedig
oder gerade in Toronto, überall wird W.E. in die Pfanne gehauen. Die
Initialen stehen für Wallis und Edward. Und diese Namen wiederum
stehen für die wohl größte Lovestory des vergangenen Jahrhunderts:
Englands König Edward VIII. gab seinen Thron auf, um die zweimal
geschiedene Amerikanerin Wallis Simpson zu heiraten. Was haben Männer
aufgegeben, um Madonnas Herz zu erobern? Die Frage drängt sich auf,
aber sie passt ihr nicht: "Ich möchte lieber was zum Film sagen."
Aber die Frage bezieht sich doch auf den Film. Na gut: "Wenn man
jemanden liebt, dann muss man immer etwas aufgeben. Nein, nicht muss.
Man tut es einfach aus Liebe", sagt sie. Ein Beispiel bitte. Madonna:
"Meine Kinder. Ich liebe alle meine Kinder und ich muss regelmäßig
Opfer für sie bringen." Haben Sie sich mal gefragt, wie sich das
anfühlt, wenn ein Mann sein Königreich für Sie aufgeben würde?
Madonna: "Ich stelle mir vor, man fühlt dann eine große
Verantwortung, sich dieses Geschenks würdig zu erweisen." Heißt das,
dass noch niemand Sie so sehr geliebt hat? Madonna: "Ich kenne das
Gefühl, sehr geliebt zu werden. Aber noch hat niemand ein Königreich
für mich geopfert." Eigentlich komisch, dass eine Karrierefrau wie
Sie ein modernes Märchen fasziniert, in dem der Prinz das
Aschenputtel zu seiner Frau macht. Heute würde man das
Abhängigkeitsverhältnis nennen. Madonna: "In vielerlei Beziehung hat
sich die Situation der Frauen nicht geändert. Wir haben eine bessere
Schulbildung, wir haben mehr Möglichkeiten im Job, und doch warten
wir auf den perfekten Mann, der unser Leben glücklich macht." Und was
sagen Sie Ihrer Tochter? Madonna: "Dass wir Frauen unsere eigenen
Entscheidungen treffen müssen. Dass wir im Leben unseren eigenen Weg
gehen müssen. Dass unser Glück allein in unserer Hand liegt." Macht
Luxus glücklich? Madonna: "Im Gegenteil. Wenn ich nicht glücklich
bin, bedeutet mir Luxus überhaupt nichts. Ich empfinde es als
Privileg, ein großartiges Kunstwerk oder ein Couture-Kleid zu
besitzen - aber davon hängt nicht mein Leben ab." Für King Edward
bedeutete der Thron sowohl Macht als auch Einschränkung. Wie ist das
bei der Queen of Pop? Madonna: "Genau dasselbe. Das liegt in der
Natur der Sache. Auf der einen Seite habe ich eine große Freiheit,
auf der anderen Seite bin ich den Fans verpflichtet." Was bringt Sie
auf die Palme? Madonna (grinst): "Außer Hortensien? Leute, die
unvorbereitet sind." Wie haben Sie sich darauf vorbereitet, Regie zu
führen? Madonna: "Indem ich zum Beispiel alles über Kameraarbeit
gelernt habe. Ich habe Leuten Löcher in den Bauch gefragt und Notizen
gemacht - wie eine gute Schülerin das tun muss." Haben Sie aus Ihren
vielen Beziehungen gelernt, wie man ein gebrochenes Herz heilt?
Madonna: "Indem man ihm Zeit lässt. Viel Zeit." In der Beziehung von
Edward und Wallis weiß man nicht, ob Liebe die Grenze zur
Besessenheit überschritten hat. Kennen Sie den Unterschied? Madonna:
"Liebe ist, wenn man gibt. Besessenheit ist, wenn man nimmt." Sehr
weise. Denken Sie viel über solche Dinge nach? Madonna: "Ich versuche
die Gesetze des Universums zu verstehen, die Eigenheiten der
Menschheit und den Unterschied zwischen dem, was wahr ist und was
nicht." Ehe wir uns zum Abschieds-Foto aufstellen, bessert
Madonnas Visagistin das Make-up auf, ihr Modeberater zupft Rock und
Bluse zurecht und die drei Bodyguards umkreisen sie wie Planeten. So
schreiben es die Gesetze des Madonna-Universums vor.
Dierk Sindermann
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