(ots) - Fehl am Platz
Artikel 38 des Grundgesetzes ist eindeutig: Die Abgeordneten des
Bundestags sind "an Aufträge und Weisungen nicht gebunden und nur
ihrem Gewissen unterworfen". Theoretisch.
In der Praxis ist das gar nicht so einfach, wie das Beispiel des
aufrechten Wolfgang Bosbach zeigt. Die jetzt enthüllten Entgleisungen
von Kanzleramtsminister Ronald Pofalla bestätigen im Nachhinein
Bosbachs Klagen, als Abweichler in der Frage der Euro-Rettung massiv
unter Druck gesetzt worden zu sein.
Dieser Blick hinter die Kulissen ist entlarvend. Er offenbart
nicht nur, dass die Nerven in der Koalition blank lagen, weil
Schwarz-Gelb um die Kanzlermehrheit bangen musste. Zugleich stellt
sich auch die Frage, ob der Chef des Kanzleramtes seinen Aufgaben
gewachsen ist.
Fest steht: In der tief greifenden Schuldenkrise, in der sich
Deutschland und die EU befinden, sollten alle Verantwortlichen Ruhe
bewahren und Vor- und Nachteile ihrer Entscheidungen sorgfältig
abwägen. Schließlich geht es um riesige Summen Geld, um massive
Inflationsgefahren und letztlich sogar um den Bestand der
Währungsunion. Aufbrausende Charaktere, die solchem Druck nicht
standhalten, sind an der Spitze des Kanzleramtes fehl am Platz.
Auch wenn Ronald Pofalla sich bei Bosbach entschuldigt hat, bleibt
sein Ansehen ramponiert. Schließlich fragt sich jetzt jeder, wann der
Kanzleramtsminister wohl das nächste Mal aus der Haut fährt - und wer
dann sein Opfer ist.
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