(ots) - Oktober-Kolumne von Ad van
Tiggelen, Senior Investment Specialist, Investment Content Management
bei ING Investment Management, Den Haag
Im gerade beendeten dritten Quartal sind die Kurse europäischer
Aktien um knapp 17 Prozent gefallen. Bedenkt man, dass wir in den
nächsten Quartalen mit 50%iger Wahrscheinlichkeit eine milde
Rezession in Großbritannien und der Eurozone erleben werden, ist
dieser Rückgang wohl gerechtfertigt. Selbst bei einer leichten
Rezession würden die Unternehmensgewinne 2012 um mindestens 5 bis 10
Prozent sinken. Die Anlegerschaft hat dieses Szenario bereits
weitgehend eingepreist, aber die anhaltende Ungewissheit im Zuge der
Eurokrise bedeutet, dass wir es diesmal mit einer ungewöhnlich hohen
Zahl möglicher Szenarien zu tun haben. Wie sollen Anleger in
europäische Aktien sich vor diesem Hintergrund verhalten?
Zunächst muss man sich klarmachen, dass viele Unternehmen infolge
der Eurokrise Schwierigkeiten haben, sich über Bankkredite zu
finanzieren. Das gilt insbesondere für kleinere und mittelständische
Firmen. Zudem fällt es diesen Unternehmen zunehmend schwerer, sich
über die Anleihemärkte zu refinanzieren, denn dort sind die
Emissions- und Handelsvolumen dramatisch zurückgegangen.
Multinationale Konzerne haben dagegen weitaus weniger Probleme, sich
über die Kreditmärkte zu versorgen. Damit haben sie im gegenwärtigen
Marktumfeld einen eindeutigen Vorteil.
Zweitens ist Europa im Vergleich zu Amerika oder Asien wohl in
einer weniger günstigen Position, um sich auf den Wandel zu einer
stärker globalisierten und wettbewerbsorientierten Welt einzustellen.
Unsere Arbeitsmärkte sind weniger flexibel und unsere
Altersvorsorgesysteme kostspieliger. Zugleich sind die europäischen
Gewerkschaften - vor allem in den südlichen Ländern - mächtiger. In
der Vergangenheit wurden diese relativen Negativfaktoren vom
sogenannten Kredit-Superzyklus, also dem überreichlichen Angebot
billigen Geldes, überspielt. Da nun aber die Schuldenstände hoch sind
und die politische Einheit (in der Eurozone) in weite Ferne gerückt
ist, könnte die Kaufkraft in Europa über mehrere Jahre ausgehöhlt
werden. In dieser Hinsicht sind global orientierte europäische
Unternehmen wohl besser positioniert als diejenigen, die sich einzig
auf den heimischen Markt konzentrieren.
Drittens nimmt die Solvenz- und Liquiditätslage eines Unternehmens
an Bedeutung zu, wenn der Zugang zu frischem Geld immer schwieriger
wird. Unternehmen mit gesunden Bilanzen und der Fähigkeit, solide
freie Cashflows zu erzeugen, hängen weniger von Banken und
Finanzmärkten ab. Das gilt vor allem für gut diversifizierte
Großunternehmen in weniger zyklischen Branchen.
Vor diesem Hintergrund ist klar, dass international tätige
europäische Unternehmen in defensiven Sektoren wohl am besten
aufgestellt sind, um die vor uns liegenden Herausforderungen zu
bewältigen. Kleine und mittelständische Firmen werden es schwerer
haben, da sie in der Regel konjunkturabhängiger und stärker auf den
heimischen Markt ausgerichtet sind. Zudem werden sie wohl eher von
Refinanzierungsproblemen betroffen sein, solange der "Euro-Stress" im
europäischen Bankensystem und auf dem Unternehmensanleihemarkt
anhält.
Insofern überrascht es nicht, dass europäische Small Caps in
letzter Zeit hinter kapitalstärkeren Unternehmen aus Europa
zurückgeblieben sind. Nachdem Small Caps fast zehn Jahre lang besser
als Large Caps abgeschnitten haben, dürfte dieser neue Trend vorerst
anhalten. Ab jetzt sollten Investoren sich daher an Großunternehmen
mit üppigen Bilanzen und großzügigen Dividenden orientieren. Insofern
mag die Devise noch eine ganze Weile "klotzen statt kleckern" lauten,
jedenfalls so lange, wie dies den Politikern und Gewerkschaften
misslingt.
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