(ots) - Das neue Versorgungsstrukturgesetz wird die
Versorgung der Patienten in ländlichen Gebieten nicht verbessern, ist
Dr. Christopher Hermann überzeugt. Der Vorstandvorsitzende der AOK
Baden-Württemberg hat am heutigen Mittwoch (19.10.2011) anlässlich
der Anhörung zum Versorgungsstrukturgesetz im Bundestag den Entwurf
der Bundesregierung scharf kritisiert. Qualität und Effizienz der
medizinischen Versorgung würden nicht erhöht, stattdessen führe das
neue Gesetz zu mehr Bürokratisierung.
Die Bundesregierung will eine bessere medizinische Versorgung vor
allem auf dem Land. Zugleich steigt der Bedarf an medizinischer
Versorgung, da die Menschen immer älter werden. Im August hat das
Bundeskabinett deshalb den Entwurf des "Gesetzes zur Verbesserung der
Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung"
(GKV-VStG) beschlossen. Für Dr. Christopher Hermann,
Vorstandvorsitzende der AOK Baden-Württemberg, ist der
Gesetzesentwurf freilich eine "Ansammlung von rhetorischen Floskeln
und formelhaften Allgemeinplätzen", so der 56-Jährige heute in der
Anhörung vor dem Gesundheitsausschuss des Bundestages. Es werde sich
nicht ein Arzt mehr auf dem Land niederlassen. Auch die zahlreichen
Änderungsanträge würden keine Verbesserung bringen. "Viel Anträge,
wenig Änderungen", sagt Hermann.
Hermann kritisiert vor allem das Modellvorhaben zur
Arzneimittelversorgung, welches die ABDA/KBV-Konzeption zum
Medikationsmanagement aufgreift und eine Alternative zu
Rabattverträgen sein soll. Danach sollen sich Ärzte, Apotheker und
Krankenkassen auf einen Wirkstoff-Katalog einigen, Ärzte dann nur
noch Wirkstoffe verordnen, die Apotheker die Produktauswahl treffen.
Der Entwurf greife massiv in die Grundlagen der
Selbstverwaltungsrechte der Krankenkassen ein. Zudem gefährde er die
Rabattverträge und die damit verbundenen Einsparungen, die seit
Jahren für eine hohe Finanzstabilität der gesetzlichen
Krankenversicherung sorgten. "Es gibt keine solide Alternative zu
Rabattverträgen", so Hermann.
Auch die versprochene "Stärkung wettbewerblicher
Handlungsmöglichkeiten der Krankenkassen" sei eine einzige
"Ansammlung von Ladenhütern aus dem Produktportfolio der privaten
Krankenkassen", so AOK-Chef Hermann. "Wir sollen einen Wettbewerb um
künstliche Befruchtung, aufgepeppte Kurmaßnahmen, die Erstattung von
verschreibungsfreien Arzneimitteln und Haushaltshilfen führen." Dies
sei angesichts der tatsächlichen Probleme ein Hohn. "Wir leben in
einer Welt mit immer mehr chronischen Krankheiten und immer mehr
Alten, die mehrere Krankheiten gleichzeitig haben. Für diese Menschen
wollen wir eine patientengerechte Versorgung anbieten dürfen."
Besonders im Vertragsbereich fordert Hermann deshalb mehr
wettbewerbliche Möglichkeiten. Das gilt vor allem für Krankenhäuser,
mit denen die AOK direkte Verträge abschließen will. "Die
Möglichkeit, Selektivverträge abzuschließen, muss im gesamten
Gesundheitssystem verankert und konsequent ausgebaut werden."
Schließlich habe die AOK mit ihrem Hausarztvertrag in
Baden-Württemberg bewiesen, dass die Versorgungsqualität damit
erheblich gesteigert werden kann. "Nicht nur die Patienten sind
zufriedener, auch die Ärzte."
Fakt sei dagegen: Die Kassen müssen seit 2009 auf Landesebene
gemeinsame Preise aushandeln und bekommen dafür auch noch Vorgaben
aus Berlin - "was zu einer hohen Unzufriedenheit bei Kassen und
Ärzten geführt hat."
Fazit des AOK-Chefs: "Wir brauchen die Möglichkeit, auf regionaler
Ebene zu gestalten. Diese ist im Versorgungsstrukturgesetz nicht
vorhanden." Ein Versorgungsstrukturgesetz mache nur dann Sinn, wenn
es allen Beteiligten im Gesundheitswesen die Möglichkeit eröffne,
gemeinsam eine bessere Versorgung vor Ort zu gestalten und
umzusetzen. "Dafür muss die Politik die notwendigen
Gesetzesänderungen endlich in Angriff nehmen."
Die AOK Baden-Württemberg versichert über 3,8 Millionen Menschen
im Land und zahlt rund 11 Milliarden Euro pro Jahr an Leistungen in
der Kranken- und Pflegeversicherung.
Informationen zur AOK Baden-Württemberg unter: www.aok-bw.de
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