(ots) - Türkei als Vorbild
Nein, niemand muss das Gespenst eines tunesischen Gottesstaates am
arabischen Horizont heraufziehen sehen. Der Wahlerfolg der
islamischen Ennahda-Partei bei der ersten freien Wahl nach dem Sturz
der Diktatur ist nicht gleichzusetzen mit einer Einschränkung der
Bürger- und Frauenrechte. Selbst wenn in der künftigen Verfassung die
Scharia als Rechtsquelle auftauchen würde, hieße das noch lange
nicht, dass "Ehebrecherinnen" wie einst unter den Taliban in
Afghanistan die Steinigung droht. Die Scharia ist weit mehr
Auslegungssache, als es Fundamentalisten wahrhaben wollen. Von denen
dürfte es an den Rändern der Ennahda-Partei einige geben. Doch
bislang hat die Führung überzeugend dargelegt, dass sie ein breites
Parteienspektrum an der Macht beteiligen will.
Statt Fundamentalismus will sie auf einen moderaten Islam setzen,
der Demokratie und Pluralismus integriert. Daran wird sich die
Ennahda-Partei messen lassen müssen, wenn sie in einer Koalition die
Regierung mitverantwortet. Als Vorbild dient die Türkei, nicht der
Iran oder Saudi-Arabien. Das gilt nicht nur für Tunesien, sondern
auch für Ägypten und Libyen. Die hohe Wahlbeteiligung in dem Land hat
Signalwirkung in den gesamten arabischen Raum. Zudem ist es
ermutigend, dass gerade junge und gebildete Muslime in Tunesien
weltliche Parteien gewählt haben. Sie sind die Zukunft, die auch die
Ennahda-Partei nicht aufhalten wird.
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