(ots) - Ein Kommentar von Christian Thiel
Wie verzweifelt muss ein Mensch sein, der allein in einem
Hotelzimmer aus dem Leben scheiden will? Das ist eine Frage, die nur
den Betroffenen, seine Freunde und Angehörigen klären können - und
allenfalls diejenigen etwas angeht, die versuchen, solche ultimative
Entscheidung zu verhindern. Nun ist der Suizidversuch des
Schiedsrichters Babak Rafati allein wegen seiner Profession und dem
Zeitpunkt am Tage eines Bundesligaspiels ein Thema von öffentlichem
Interesse. Aber die Forschung nach den Motiven und der Weg zurück ins
Leben bleiben Privatsache. Genau diese Privatsphäre hat ihm
ausgerechnet sein Dienstherr, der Deutsche Fußball-Bund, genommen.
DFB-Präsident Theo Zwanziger hat sich schon kurze Zeit nach dem
Vorfall im Kölner Stadion eingefunden und eine seiner berühmten
Betroffenheits-Pressekonferenzen gegeben. Er äußerte sich in sanftem
Ton und staatstragend wie immer, aber eben auch höchst spekulativ. Wo
es erste Pflicht gewesen wäre, ohne Kenntnis aller Umstände wertfrei
und distanziert auf jede Spekulation zu verzichten, tat der
Fußball-Boss genau das. Er beschrieb die grauenvolle Szenerie
detailliert und mutmaßte sogleich über den Druck, dem
Profischiedsrichter ausgesetzt sind, als wäre die Ursache für den
versuchten Suizid in jedem Fall im Umfeld des Fußballs zu finden. Das
aber wusste zu diesem Zeitpunkt niemand. Dass sich auch ein Teil der
Medien vorschnell zu Kaffeesatzleserei hinreißen ließ, gehört
ebenfalls zu den unschönen Randerscheinungen des Falls Rafati. Die
übereilte Reaktion des DFB-Präsidenten jedenfalls zeigt nur eins:
Wenn jemand unter Druck steht, dann ist es der Fußball-Bund selbst.
Bei den vielen Brandherden der vergangenen Jahre, all den Affären um
Bestechungsvorwürfe, unappetitliche Affären und Steuerdelikte, konnte
Zwanziger als Krisenmanager nicht überzeugen. Da helfen auch
salbungsvolle Worte nichts. Babak Rafati hat dieses persönliche Drama
überlebt. Gestern hat er sich auf eigenen Wunsch in stationäre
Behandlung begeben. Ihm ist zu wünschen, dass er wenigstens dort in
Ruhe gelassen wird.
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