(ots) - Der Leiter der SOS-Kinderdörfer in
Griechenland, George Protopapas, über die Finanzkrise und Armut in
seinem Land und über die massiven Steuererhöhungen, die Griechenland
"auf einen besseren Weg" bringen sollen
Die drei SOS-Kinderdörfer in Griechenland sehen sich vor große
Probleme gestellt. Immer mehr Eltern möchten ihre Kinder in den
Kinderdörfern abgeben, weil sie sie nicht mehr ernähren können. Über
1000 verzweifelte Anfragen hat es in den vergangenen zwölf Monaten
gegeben. Die Organisation reagierte mit einer Ausweitung der
SOS-Familienhilfe, die Familien in Not unterstützt. Gleichzeitig hat
der griechische Staat die Steuern massiv erhöht, was auch die
Hilfsorganisationen massiv trifft. Ein Interview mit George
Protopapas, Nationaler Leiter der SOS-Kinderdörfer in Griechenland.
Herr Protopapas, können Sie uns etwas über die allgemeine Lage in
Griechenland erzählen? Wie kommen die Menschen mit der Krise zurecht?
Es sind schwere Zeiten, niemand weiß so richtig wie es weitergeht.
Dass es jetzt politisch, wirtschaftlich oder sozial so schwierig ist,
die richtigen Lösungen zu finden, ist für uns alle deprimierend.
Wie ist die Lage der SOS-Kinderdörfer in Griechenland?
Die SOS-Kinderdörfer Griechenland kümmern sich seit 1982 um Kinder
in Not. Ich arbeite jetzt seit gut 25 Jahren für SOS-Griechenland.
Auch wenn es manchmal schwierig war, haben wir in all den Jahren nie
unseren Enthusiasmus und unsere Hoffnung verloren. Leider muss ich
sagen, dass ich nun zum ersten Mal mit großer Sorge an morgen denke.
Die Regierung in Athen hat die Steuern massiv erhöht, um der Krise
zu begegnen. Trifft das auch die SOS-Kinderdörfer?
Nach der neuen Steuergesetzgebung vom April 2010 werden alle
privaten gemeinnützigen Institutionen besteuert. Griechenland ist
damit weltweit das einzige Land, das Steuern von karitativen
Organisationen verlangt. Künftig bezahlen wir ein Prozent Steuern auf
jede Spende oder Erbschaft, die wir erhalten. Darüber hinaus werden
auch Grundstücke besteuert. Das schließt auch die Gelände mit ein,
auf denen SOS-Kinderdörfer stehen. Für das Jahr 2011 werden wir rund
165.000 EUR Steuern bezahlen müssen. Und das bei sinkenden Spenden,
da die Menschen ja immer weniger Geld in der Tasche haben. Sie können
sich vorstellen, was das für unsere Einnahmen bedeutet.
Welche Probleme birgt das für die Arbeit der SOS-Kinderdörfer in
Griechenland?
Die SOS-Arbeit in Griechenland basiert allein auf der
Unterstützung unserer Freunde und Förderer. Vom Staat haben wir nie
finanzielle Mittel erhalten. Nun wird unseren Spendern durch die neue
Gesetzgebung auch noch die Möglichkeit genommen, die Spenden
abzusetzen. Gemeinsam mit den Steuern, die man uns nun abverlangt,
ist das tatsächlich so, als würde man uns die Luft zum Atmen nehmen.
Ist derzeit genügend Geld da, um die SOS-Einrichtungen und
-Programme zu finanzieren? Mussten Sie bereits mit Sparmaßnahmen bei
der SOS-Arbeit in Griechenland beginnen?
Unsere Mittel reichen keine sechs Monate mehr, um unsere Programme
wie gewohnt fortzusetzen und das Wohlergehen der Kinder zu
gewährleisten. Wir suchen natürlich nach neuen Lösungswegen. Aber
wenn die steuerlichen Neuerungen so bleiben, sind wir möglicherweise
zum Ende des kommenden Jahres gezwungen, manche unserer Programme zu
stoppen.
Wie erleben die Kinder in den SOS-Kinderdörfern die Krise?
Wir setzen alles daran, dass sich für sie möglichst nichts ändert.
Bisher gelingt uns das. So gesehen bleibt für die Kinder bislang
weitgehend alles beim Alten. Die Kinder merken aber, dass sich die
Dinge im Land verändern. Sie sind natürlich besorgt.
Unterstützt SOS in Griechenland eigentlich arme Familien dabei,
sich um ihre Kinder zu kümmern?
Im Jahr 2009 haben wir damit begonnen, die ersten Familien in Not
zu unterstützen. Als sich 2010 die Krise weiter verschärfte, stieg
die Zahl der Familien, denen SOS half, auf 120. In den ersten acht
Monaten dieses Jahres waren es dann bereits 850 Familien. Jetzt sind
wir schon bei 1230 Familien, die wir unterstützen.
Denken Sie, dass es für das griechische Volk leichter wäre, wenn
wieder die alte Währung, also die Drachme, eingeführt würde?
Diese Frage ist sehr schwer zu beantworten. Sogar angesehene
Wirtschaftswissenschaftler haben darauf keine eindeutige Antwort. Ich
glaube, dass die Rückkehr zur Drachme zu weiterer Armut und zu einem
Desaster führen würde. Wir sollten alle Anstrengungen daransetzen,
den Euro zu behalten.
Denken Sie, dass sich die Situation durch den neuen
Ministerpräsidenten Lucas Papademos verbessert?
Die Veränderung ist in der jetzigen Situation sicher positiv. Aber
für eine echte Verbesserung reichen Personalwechsel nicht aus. Es
muss eine grundlegende Veränderung der Politik geben.
Bild von SOS-Leiter George Protopapas zum kostenlosen Download
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Pressekontakt:
Louay Yassin
Pressereferent
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