(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) kritisiert
Zensurmaßnahmen im Vorfeld der Parlamentswahl am 4. Dezember in
Russland. In einigen Fällen wurde Druck auf Redaktionen ausgeübt,
keine Artikel mit Kritik an Premierminister Wladimir Putin zu
veröffentlichen. Mindestens drei populäre regionale Online-Foren
wurden geschlossen oder dort veröffentlichte politische Inhalte
entfernt. Der Verkauf einer lokalen, unabhängigen Zeitung wurde
verhindert.
Die zensorischen Eingriffe seien auch in Hinsicht auf die
Präsidentschaftswahl am 4. März 2012 beunruhigend, so ROG. Die
Kontrollen zielten offenbar darauf ab, Putins Favoritenposition
abzusichern. ROG appelliert an die russischen Behörden, die Medien-
und Informationsfreiheit zu respektieren, und warnt vor
Beschränkungen einer notwendigen öffentlichen politischen Debatte.
Auf der anderen Seite bewertet ROG eine neue Entwicklung der
russischen Gesetzeslage zunächst als positiv: Am 17. November
beschloss die Duma mehrere Änderungen des Strafgesetzes. Die neuen
Bestimmungen versprechen einen besseren Schutz von Journalisten in
dem Land. Abzuwarten bliebe jedoch die Anwendung und Auslegung der
Gesetze durch die Gerichte, so ROG.
Einige Zensurmaßnahmen stehen im Kontext der Warnung des
russischen Regierungschefs an westliche Staaten, sich nicht in die
Wahlen einzumischen. So wurden Redakteure der Nachrichtenseite
"Inosmi" - eine Tochter der staatlichen Nachrichtenagentur "Ria
Nowosti" - von ihrem Management per Mail aufgefordert, keine Artikel
mit Kritik an Putin oder der regierenden Partei "Einiges Russland"
online zu veröffentlichen. "Inosmi" ist darauf spezialisiert,
ausländische Artikel ins Russische zu übersetzen. Redaktionsmitglied
Grigori Ochotin machte eine entsprechende E-Mail am 26. November
öffentlich und kündigte anschließend seine Stelle. Möglicherweise
steckt hinter der internen Anweisung eine Anordnung der Behörden. Ein
Sprecher von "Ria Nowosti" wies Anschuldigungen einer Zensur zurück.
Am 30. November trat ebenfalls der stellvertretende Chefredakteur
der Onlinezeitung "gazeta.ru", Roman Badanin, zurück, nachdem die
Herausgeber und Geschäftsführung des Mediums ihre Unzufriedenheit mit
der Berichterstattung im Vorfeld der Wahlen geäußert hatten. Badanin
hatte namentlich gegen die Entfernung einer interaktiven Karte mit
landesweiten Wahlkampf-Verstößen Einspruch erhoben.
Darüber hinaus traten drei Manager von "Radio Abakan" - Partner
von Radio "Echo Moskau" in der südsibirischen Republik Chakassien -
zurück. Damit reagierten sie auf Anweisungen des Besitzers der
Radiostation, das Programm nach Beschwerden über eine unvorteilhafte
Positionierung eines Beitrags zur Kandidatur Putins umzustellen.
Seit Beginn des Monats November wurden zudem drei in Russland sehr
beliebte regionale Online-Foren geschlossen oder von politischen
Inhalten gesäubert. Sie galten bis dahin als Foren, in denen offen
über Politik gesprochen werden konnte. In der zentralrussischen Stadt
Dolgoprudny beschlagnahmte die Polizei zum Beispiel am 15. November
den Server des Forums "Kostroma Jedis". Die Maßnahme folgte auf eine
Anzeige des Gouverneurs Igor Sljunjajew wegen "Beleidung eines
Staatsvertreters". Auf dem Online-Portal waren zwei satirische Videos
über den Regionalpolitiker gepostet worden.
In der östlichen Region Sachalin wurden Kioske unter Druck
gesetzt, die Tageszeitung "Sowetski Sachalin", nicht mehr zu
verkaufen. Das Blatt war das einzige lokale, unabhängige Medium, das
die regionalen Behörden kritisierte.
Nach den vor wenigen Tagen angenommenen Gesetzesänderungen fallen
"Diffamierung" und "Beleidigung" künftig nicht mehr unter das
Strafrecht, sondern werden als zivilrechtliche Delikte geahndet.
Zudem wurde das Strafmaß für tätliche Angriffe auf Journalisten
hochgesetzt. ROG appelliert an die russischen Justizbehörden, die
Gesetze nun auch vollständig anzuwenden und im Sinne der
Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte
auszulegen.
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