(ots) -
Im Rahmen eines hochkarätig besetzten Pressebrunch im Hotel
Aurelio in Lech diskutierten Medien- und Politikexperten unter der
Leitung von Astrid Zimmermann, der Generalsekretärin des Presseclub
Concordia, die aktuelle Situation der Pressefreiheit in Ungarn.
Journalist Laszlo Benda berichtete von seiner Entlassung als
Außenpolitik-Chef des staatlichen Rundfunks. NZZ-Korrespondent
Charles Ritterband und sein Kollege von der Süddeutschen Zeitung,
Michael Frank, sprachen von problematischen Vorgängen in Ungarn.
Schon beim Mediengipfel im vergangenen Jahr war die Bedrohung der
Pressefreiheit in Ungarn Thema. "Es ist traurig, dass das düstere
Bild, das wir damals zeichneten, nun Realität geworden ist", zeigte
sich Michael Frank, Korrespondent der Süddeutschen Zeitung (SZ),
angesichts der aktuellen Lage in Ungarn besorgt. Die
Diskussionsleiterin Astrid Zimmermann, ihres Zeichen
Generalsekretärin des Presseclub Concordia, sprach zum Auftakt des
Pressebrunch im Hotel Aurelio in Lech von der Notwendigkeit, dass
sich Journalisten "im Sinne des Schutzes der Pressefreiheit in
Ungarn" engagieren.
Gleich zu Beginn der Veranstaltung lieferte László Benda,
ehemaliger Außenpolitikchef des staatlichen ungarischen Fernsehens,
einen sehr persönlichen Einblick in seine Erfahrungen mit dem neuen
umstrittenen Mediengesetz und dem Umgang der Regierung mit unbequemen
Kritikern. Der Journalist verlor im Zuge der Zentralisierung der
ungarischen Staatsmedien durch die Regierung Orban seinen
Arbeitsplatz. Diesen seiner Ansicht nach "massiven politischen
Eingriff in die Pressefreiheit" beschrieb Benda mit sehr emotionalen
Worten. "Heute gleicht die Stimmung im ungarischen Fernsehen der auf
einem Friedhof, jeder hat Angst", zeichnet er ein besorgniserregendes
Bild von der Situation im staatlichen Rundfunk.
Der ungarische Politikwissenschaftler Zoltà n Kiszelly widersprach
Bendas Einschätzung. Er analysierte die umstrittenen Vorgänge in der
ungarischen Medienszene aus einer wirtschaftspolitischen Perspektive.
Ungarn sei zum Sparen gezwungen, auch im Medienbereich. Von rund
3.500 Angestellten des öffentlich rechtlichen Fernsehens verlieren
derzeit in mehrere Kündigungswellen gut 1.000 ihren Arbeitsplatz.
Angesichts der Einschaltquoten, laut Kiszelly liegen die der
öffentlich-rechtlichen TV-Sender bei nur zehn Prozent, sei ein
Personalabbau unvermeidbar. Auch Privatsender würden ihre Redaktionen
verkleinern, so der Politologe. Geopolitisch eingebettet zwischen
einem erstarkten Russland und dem wirtschaftlich von Deutschland
dominierten Westen, müsse Ungarn seinen Platz finden, um nicht
unterzugehen. In der Medienwelt zeichne sich ein Rechtsruck ab, da
die großen Printtitel mittlerweile von regierungsnahen Unternehmen
kontrolliert würden. Kritischer Journalismus, so Kiszellys
Einschätzung, werde unter diesen Vorzeichen immer schwieriger.
SZ-Korrespondent Frank widersprach Kiszellys wirtschaftlicher
Argumentation: "Der Verschlankungsprozess im staatlichen Rundfunk ist
politisch motiviert und gesteuert." Zudem stehe hinter diesem
Mediengesetz ein ganzer Kanon an problematischen
Verfassungsänderungen der Fidesz-Regierung. Der Versuch, diese
Änderungen in der Verfassung auf einen breiten gesellschaftlichen
Konsens zu stützen, wurde erst gar nicht unternommen. Charles
Ritterband, Korrespondent der NZZ, spricht von einer "ungeheuren
Perfidie" im Zusammenhang mit dem neuen Mediengesetz: "Das ist reiner
Totalitarismus, wenn man den Ausführungen von Herrn Benda zuhört."
Bedenklich, so Ritterband, sei das Desinteresse der Ungarn an der
Politik. Politologe Kiszelly berichtet von 60 Prozent Ungarn, die
sich laut Umfragen nicht für Politik interessieren. 80 Prozent
sprechen keine andere Sprache als Ungarisch und haben dadurch keinen
Zugang zu kritischen Medienberichten von außen.
Joseph Gepp, Politik-Redakteur der Wiener Wochenzeitung "Falter",
teilte Ritterbands Einschätzung, dass sich ein zartes Pflänzchen der
Kritik an der Regierung in Ungarn regt. Gepp setzt große Hoffnung in
die Opposition die sich im Web artikuliert: "Es entsteht sehr viel im
Internet, das ist viel stärker als zum Beispiel in Österreich." Aus
dem freien Journalismus, der im Internet stattfindet, entstehe in der
Folge der reale Widerstand, betonte Gepp die Bedeutung der Blogger.
Die starke Rolle des Widerstandes aus dem Web liege auch darin
begründet, dass Onlinejournalisten und Blogger nicht von
Werbeeinschaltungen abhängig seien. Schließlich verwies Gepp auf die
jüngsten Demonstrationen für Pressefreiheit in Budapest, an denen
rund 70.000 vorwiegend junge Menschen teilnahmen, als Ergebnis der
Onlineopposition. Politologe Kiszelly widersprach ihm jedoch und hält
diese Proteste weniger für Anzeichen von Widerstand gegen die
Regierung, sondern sieht den Grund dafür in der schwierigen
Wirtschaftslage Ungarns, die vor allem die Jungen betreffe. Gepp hält
die Bewegung im Internet dennoch für eine große politische
Zukunftshoffnung Ungarns: "Noch ist der Internet-Widerstand eine
elitäre Gruppe, die aber langsam und stetig in der Gesellschaft
wächst."
SZ-Journalist Michael Frank kritisierte aber nicht allein die
ungarische Regierung. Er ging auch mit den Europäischen Verlegern,
die in Ungarn aktiv sind, hart ins Gericht. Er wirft ihnen vor, die
aktuellen Vorgänge auf sträfliche Weise zu ignorieren und nicht
kritisch genug zu beleuchten. Aber auch die EU wurde für ihre
abwartende und passive Haltung angesichts der politischen Vorgänge im
Mitgliedsstaat Ungarn von den Podiumsteilnehmern kritisiert. Das
Versagen gegenüber Ungarn habe aufgezeigt, dass die EU dringend ihre
inneren Rechtskompetenzen überarbeiten müsse. In einem weiteren Punkt
war man sich einig: Es fehle in Ungarn schlichtweg an einer
Zivilgesellschaft, die sich bei Fehlentwicklungen lautstark und
nachdrücklich zu Wort meldet. Michael Frank beschrieb dies ganz
unverblümt: "Die ungarische Gesellschaft ist noch nicht reif dafür,
in politischen Kategorien wie links und rechts oder rechtsextrem zu
denken. Daher müssen wir mit derlei Fieberschüben und Rückschlägen
rechnen." Ungarn sei letztlich aber nur ein politischer Nachzügler,
denn Polen oder die Slowakei haben diesen postkommunistischen Reflex
zum Extremismus bereits hinter sich. Er hoffe daher, dass Ungarn
diese Phase ebenfalls überwinde. Politologe Kiszelly beschwichtigt
eindeutig: "Ungarn wird nicht zur Diktatur."
Initiiert wurde der Mediengipfel vor fünf Jahren von der
Kommunikationsagentur pro.media, seither wird die Veranstaltung in
enger Kooperation mit der Lech Zürs Tourismus GmbH organisiert. Im
Rahmen des Mediengipfels am Arlberg treffen sich alljährlich führende
Auslandskorrespondenten internationaler Medien mit österreichischen
Medienmachern, um aus unterschiedlichsten Länderperspektiven aktuelle
Entwicklungen in Politik, Wirtschaft und Medien sowie deren
gesellschaftspolitische Auswirkungen zu analysieren.
Unterstützt wird das Treffen der Auslandskorrespondenten vom
Verband der Auslandspresse in Österreich und Deutschland, Swarovski
Tourism Service GmbH, Intersky, Mercedes Benz sowie den
Medienpartnern Der Standard, APA - Austria Presse Agentur, ORF,
Vorarlberger Nachrichten, NZZ - Neue Zürcher Zeitung, news aktuell
sowie dem Presseclub Concordia.
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