Der Parallelimport von Medizinprodukten gehört in Zeiten globalisierter Märkte zum Geschäftsalltag, hält aber manchen rechtlichen Stolperstein bereit. Streitträchtig ist dabei vor allem die Konstellation, dass ein Medizinprodukt ohne oder gegen den Willen des Herstellers für den deutschen Markt importiert wird.
(firmenpresse) - Aber auch bei einvernehmlichem Zusammenwirken von deutschem Importeur und ausländischem Hersteller können sich juristische Fallstricke auftun, mit denen beide möglicherweise gar nicht rechnen. So kann der deutsche Importeur unversehens zum Hersteller eines im rechtlichen Sinne „neuen“ Medizinproduktes mutieren – mit allen den Hersteller treffenden rechtlichen Verpflichtungen –, wie eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH, Urteil vom 12.05.2010, I ZR 185/07) belegt.
Die Entscheidung des BGH betraf einen Fall, in dem ein Unternehmen ein In-vitro-Diagnostikum, das vom Hersteller in anderen Mitgliedstaaten der EU in Verkehr gebracht wurde, nach Deutschland importierte, die Umverpackung mit einem deutschsprachigen Etikett versah, der Packung nach Öffnung eine deutschsprachige Gebrauchsanweisung beifügte und das so umverpackte Produkte in Verkehr brachte. Eine eigene Konformitätsbewertung führte der deutsche Importeur nicht durch. Dies hielt der BGH für unzulässig. Jedenfalls In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung, so das Gericht, dürfen in Deutschland nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie eine Gebrauchsanweisung und eine Etikettierung in deutscher Sprache enthalten, die vorab in einem erneuten oder ergänzenden Konformitätsbewertungsverfahren überprüft worden sind.
Das parallel importierte Produkt verfügte zwar im konkreten Fall über eine CE-Kennzeichnung, der ein in den Niederlanden durchgeführtes Konformitätsbewertungsverfahren zugrunde lag. Nach dem Import nach Deutschland sei jedoch ein erneutes oder ergänzendes Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen, weil der Importeur die Originalaufmachung des Produktes abänderte, indem er den Umkarton mit einem deutschsprachigen Etikett versah und der Packung eine deutschsprachige Gebrauchsanweisung beifügte. Ein Unternehmen, dass ein vom Hersteller in einem Mitgliedstaat des Europäischen Wirtschaftsraums in Verkehr gebrachtes Medizinprodukt, das nach Durchführung eines Konformitätsbewertungsverfahrens mit einer CE-Kennzeichnung versehen ist, nach Deutschland importiert, sei grundsätzlich nicht verpflichtet, für dieses Produkt ein erneutes Konformitätsbewertungsverfahren durchzuführen, wenn es das betreffende Produkt in Deutschland unverändert vertreiben wolle. Durch das Umpacken und die Beifügung einer deutschsprachigen Gebrauchsanweisung werde aber ein neues Medizinprodukt im Sinne von § 3 Nr. 1 und 4 MPG hergestellt. Der Vertrieb des umgepackten parallelimportierten Produktes stelle daher ein erstmaliges Inverkehrbringen eines sich von dem ursprünglich im Ausland in Verkehr gebrachten unterscheidenden In-vitro-Diagnostikums zur Eigenanwendung dar.
Zwar betrifft diese Entscheidung des BGH unmittelbar nur In-vitro-Diagnostika zur Eigenanwendung. Die Entscheidungsgründe lassen es aber kaum als ausgeschlossen erscheinen, dass diese Grundsätze auch auf sonstige Medizinprodukte übertragen werden könnten. Beim Parallelimport von Medizinprodukten – sei es mit Einverständnis des Herstellers, sei es an diesem vorbei – ist daher besondere Sorgfalt geboten, um nicht ungewollt vom Händler zum Hersteller eines Medizinproduktes zu werden.
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