(ots) - Es gab Zeiten, da bezeichneten die derzeit
regierenden Koalitionsparteien CDU/CSU und FDP Wachstumsraten mit
einer Null vor dem Komma noch als Ausbund von Schwäche. Das war, als
Rot-Grün regierte. Anno 2012 aber sind erwartete 0,7 Prozent für den
FDP-Chef und Vizekanzler Philipp Rösler plötzlich ein "Anker der
Stabilität". Das muss wohl die Brille der Parteipolitik sein.
Die Aussagen des jüngsten Jahreswirtschaftsberichtes klingen allzu
sehr nach Zurücklehnen. Und zwar nicht nach einem Zurücklehnen, wie
man es sich nach getaner Arbeit erlauben kann. Sondern nach
Schönreden der Situation aus Mangel an Willens- und Schaffenskraft.
Dass Deutschland jüngst negative Zinsen für seine Staatsanleihen
zahlte, sollte nicht täuschen: Dieser groteske Vorgang zeigt eher wie
wackelig die Finanzmärkte derzeit sind. Und zweitens: Die scheinbar
sichere Säule Export kippt weg, sobald Europa in die Rezession fällt
und sobald die Wachstumsraten in den Schwellenländern schwächer
werden. Vor genau diesen beiden Entwicklungen aber hat gestern die
Weltbank gewarnt. Röslers Sorglosigkeit ist erstaunlich.
Es wäre vielmehr an der Zeit, die Anker zu lichten. Stichwort
Export: Noch rüsten sich die Schwellenländer bei ihrem Wachstum mit
Produkten Made in Germany aus. Doch wird der technologische und
qualitative Vorsprung Deutschlands nicht von allein bleiben. Um ihn
zu halten, sind weit größere Anstrengungen als bisher in der
Forschung und vor allem im Bildungswesen nötig. Dazu kommt der
absehbare Fachkräftemangel. Deutschland muss attraktiver werden für
Experten aus dem Ausland. Und es muss die Vergeudung von guter
Ausbildung im eigenen Land beenden. Stichwort Binnenmarkt: Es zeigt
sich, dass Arbeitsplatzsicherheit hier eine positive Doppelwirkung
hat. Weniger Sozialausgaben und gleichzeitig höherer Konsum.
Die frühere soziale Hängematte war falsch, aber das Modell des
floatenden Arbeitsmarktes, bei dem die Beschäftigten mit jedem
Auftragsrückgang sogleich entlassen und Ältere von vornherein
aussortiert wurden, war ebenso schädlich. Programme wie die
Kurzarbeiterregelung, die Einrichtung von Lebensarbeitszeitkonten und
die Fortbildung müssen verstärkt werden, um die nächste Krise gar
nicht erst auf den Arbeitsmarkt durchschlagen zu lassen. Und man muss
dafür sorgen, dass die Leute von ihrer Arbeit auch konsumieren
können. Das bedeutet Mindestlohn und mehr Verteilungsgerechtigkeit.
Wer wie Philipp Rösler "B" will, mehr Binnenkonsum, muss vorher für
"A" sorgen, Arbeit. Und zwar mehr Arbeit, von der man leben kann.
Pressekontakt:
Trierischer Volksfreund
Thomas Zeller
Telefon: 0651-7199-544
t.zeller(at)volksfreund.de