(ots) - Der NABU-Meeresbiologe Dr. Kim Detloff, der drei
Jahre im Unglücksgebiet forschte, sieht große Gefahren für das
Naturparadies vor der Insel Giglio, vor allem durch die 2400 Tonnen
Schwer- und Dieselöl, die in den Tanks des verunglückten
Kreuzfahrtschiffes gebunkert sind. "Schweröl ist eine hochgiftige,
teerartige Substanz, die schwer abzupumpen ist. Wenn das Schweröl
ausläuft, sinkt es auf den Meeresboden ab und überdeckt dort alles.
Damit würden weite Areale unter Wasser unweigerlich zum Friedhof für
alle Lebewesen."
So ist das Schweröl im Rumpf der "Concordia" eine tödliche Gefahr
für Zehntausende von Meerestieren, die in dem 1996 gegründeten
Nationalpark Toskanischer Archipel mit seiner besonders großen
Artenvielfalt leben. "Das Gebiet um Giglio ist ein Naturparadies mit
bunten Korallenwänden, in dem große Schwärme von Barrakudas,
Lippfischen- und Meerbrassen vorkommen. Zudem gehören die Gewässer zu
einem wichtigen Walschutzgebiet, in dem Pott- und Finwale und
verschiedene Delfine leben. Die Insel ist Rastplatz für viele
Zugvögel, auch kommen hier die seltenen Sturmtaucher und die
Korallenmöwe vor", erklärt NABU-Experte Detloff.
Zudem ist Schweröl besonders schwer zu bekämpfen: "Die bisherigen
Schiffskatastrophen zeigen leider, dass es praktisch unmöglich ist,
alles austretende Öl abzufangen." Noch dazu ist nicht ausgeschlossen,
dass die Gifte des Schweröls auch in die Nahrungskette gelangen,
erklärt der NABU-Meeresbiologe: "Falls Öl austritt, wird es von
Kleinlebewesen aufgenommen und gelangt so zwangsläufig in den Körper
von Fischen, die womöglich am Ende auf unserem Mittagstisch landen.
Aber diese Zusammenhänge sind bisher erst ansatzweise erforscht. Man
sollte hier nicht unnötig dramatisieren."
Der NABU dringt auf politische Konsequenzen aus dem Unglück. "Der
NABU fordert, das Kreuzfahrtschiffe, die Naturschutzgebiete und
sensible ökologische Meeres- und Küstenräume befahren, komplett auf
Schweröl verzichten müssen", sagt der Leiter der NABU-Verkehrspolitik
Dietmar Oeliger Oeliger. "In Europa dürfen Schiffe bislang nur in der
Nord- und Ostsee nicht mit Schweröl angetrieben werden. In der
Antarktis dagegen ist es seit kurzem verboten Schweröl mitzuführen.
Es ist völlig unverständlich, warum diese Regelung nicht auch für das
stark befahrene Mittelmeer gilt."
"Angetrieben mit Schweröl stoßen allein die 15 größten Seeschiffe
jedes Jahr mehr schädliche Luftschadstoffe wie Schwefeldioxid und
Rußpartikel aus, als alle Autos weltweit. Und die gigantischen
Abgaswolken in Häfen und vor den Küsten belasten Mensch und Umwelt.
Eine Studie des dänischen Center for Center for Energy, Environment
and Health zufolge kosten diese Schadstoffe jedes Jahr bis zu 50 000
Menschen vorzeitig das Leben, die zum Beispiel an Krebs erkranken und
vorzeitig sterben", erklärt NABU-Experte Oeliger. Die Schiffsabgase
zu reinigen wie bei Diesel-Pkws funktioniert mit Schweröl nicht.
"Deshalb fordern wir seit Jahren den Umstieg, denn das teurere
Dieselöl enthält viel weniger Schadstoffanteile. Zudem kann man beim
Einsatz von Schiffsdiesel Rußfilter installieren und so einen großen
Teil der Schadstoffemissionen verhindern."
Die NABU-Experten betonen: "Auch ein Unfall mit Dieselöl ist
verheerend, aber die Folgen sind einfacher zu bekämpfen, denn
Dieselöl ist leichter und schwimmt an der Wasseroberfläche. So kann
es besser bekämpft werden und verursacht nicht die chronische
Verseuchung des Wassers und des Meeresbodens."
Für Rückfragen:
Dr. Kim Detloff, NABU-Meeresschutzexperte, Telefon 030 284984 1626
Dietmar Oeliger, Leiter NABU-Verkehrspolitik, Telefon mobil 0172 920
1823
Weitere Informationen im Internet unter:
http://www.nabu.de/themen/meere/lebensraum/oelpest/, Link zur
NABU-Kampagne "Mir stinkt's! Kreuzfahrtschiffe sauber machen!":
http://www.nabu.de/themen/verkehr/schifffahrt/mirstinkts/ Link zur
NABU-Aktion gegen die Müllkippe Meer und dem Pilotprojekt "Fishing
for Litter":
http://www.nabu.de/themen/meere/plastik/fishingforlitter/index.html
Link zur NABU-Studie zur Müllentsorgung in Häfen:
http://www.nabu.de/themen/meere/plastik/14279.html
Originaltext vom NABU
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