(ots) - Trotz Regen und teils stürmischem Wetter
beteiligten sich erneut zahlreiche Vogelfreunde an Deutschlands
größter Vogelzählung. Nach der Auswertung von rund 40.000
Einsendungen mit mehr als 1,6 Millionen Vogelbeobachtungen legten
heute der Naturschutzbund NABU und der Landesbund für Vogelschutz in
Bayern (LBV) die Ergebnisse ihrer Mitmach-Aktion "Stunde der
Wintervögel" vor. Die Verbände hatten vom 6. bis 8. Januar dazu
aufgerufen, alle Vögel zu melden, die sich innerhalb von einer Stunde
in Gärten oder an Futterstellen blicken ließen. Die bundesweite
Zählung zeigt im zweiten Jahr der Aktion interessante Unterschiede
zum vergangenen Jahr. So verlor die Kohlmeise ihren Spitzenplatz als
häufigster Wintervogel unserer Städte und Dörfer an den Haussperling.
Auf den Plätzen drei und vier folgen Blaumeise und Feldsperling.
"In milden Wintern kommen tendenziell weniger Vögel an die
Futterstellen, solange sie in Wald und Feld noch genügend zu fressen
finden", kommentiert NABU-Vogelschutzexperte Markus Nipkow den
Rückgang, der nicht nur bei Kohlmeisen zu beobachten war. Davon
konnte offenbar der sehr ortstreue Hausspatz profitieren, der rund
ums Jahr die Nähe zu den Menschen sucht.
Futter hin oder her - nach Amseln hielten viele Vogelfreunde
diesmal vergeblich Ausschau. Bundesweit ging deren Zahl um etwa ein
Drittel zurück. Die Wintervogelzählung lässt damit Rückschlüsse auf
das "Amselsterben" im vorigen Sommer zu. Dabei wurden besonders im
Südwesten Deutschlands auffallend viele tote Amseln gefunden und auch
solche mit zerrupftem Kopfgefieder. Tropenmediziner hatten bei ihnen
eine Infektion mit dem zuvor bei uns unbekannten Usutu-Virus
nachgewiesen. Die Zählung im Januar zeigt nun einen deutlich
reduzierten Winterbestand von Südwestdeutschland Richtung Nordosten.
Mit 54 Prozent haben Amseln gegenüber dem Vorjahr am stärksten in
Rheinland-Pfalz abgenommen, gefolgt von Hessen mit minus 43 Prozent
und Baden-Württemberg mit minus 40 Prozent. Traurige Spitzenreiter
sind in Hessen der Landkreis Bergstraße mit einem Verlust von 65
Prozent und Groß-Gerau von 55 Prozent, in Baden-Württemberg im
Rhein-Neckar-Kreis büßte der Bestand 66 Prozent ein und in Heidelberg
70 Prozent.
"Die Meldungen der Vogelfreunde sind ausgesprochen hilfreich und
zeigen wie wertvoll diese Form von "Citizen Science" für die
Forschung sein kann", betont Markus Nipkow. Die Viruskrankheit sei
aber nicht die einzige Ursache für den Amselrückgang: "Das Frühjahr
2011 war in vielen Regionen extrem niederschlagsarm. Knochentrockener
Boden erschwerte es den Amseln, an Regenwürmer heranzukommen. Der
dadurch geringe Bruterfolg spiegelt sich nun ebenfalls im
Winterbestand wider", so Nipkow.
Neben den hier heimischen Vögeln ließen sich auch typische
Wintergäste aus dem Norden beobachten. Hier führen Bergfinken,
Wacholderdrosseln und Erlenzeisige die Liste an. Die größten Schwärme
an Bergfinken versammelten sich am nördlichen Rand der Schwäbischen
Alb. Dort gelang die Beobachtung von mindestens hunderttausend dieser
"Invasionsvögel". In manchen Wintern entfliehen sie in Massen ihren
nordischen Brutgebieten und durchstreifen dann in großen Schwärmen
die milderen Regionen in Mittel- und Südeuropa. Hier fressen sie am
liebsten Bucheckern, die sie auf dem Waldboden finden. Solange der
Schnee ausbleibt, herrschen dann ideale Bedingungen für das
Finkenvolk.
Zu den Besonderheiten des Winters zählen seit einiger Zeit auch
Zugvögel, die unsere Breiten im Winter normalerweise verlassen, wie
Mönchsgrasmücken, Hausrotschwänze oder Stare. Trotz der milden
Temperaturen setzte sich der Ãœberwinterungstrend dieser Arten diesmal
nicht fort - oder sie wussten sich besonders gut zu verstecken.
Vogelzählungen im Rahmen von "Citizen-Science"-Aktionen haben
prominente Vorbilder. Bereits im Jahre 1900 rief der amerikanische
Vogelkundler Frank Chapman erstmals zu einem "Christmas Bird Count"
auf. Die Aktion findet seither jährlich statt. Auch der britische
NABU-Partner, die Royal Society for the Protection of Birds (RSPB),
veranstaltet seit inzwischen mehr als 30 Jahren einen "Big Garden
Birdwatch". Diese Langzeitstudien haben Vogelschützern bis heute eine
Fülle wertvolle Informationen zum Schutz der Artenvielfalt geliefert.
Vom 11. bis 13. Mai folgt die Schwesteraktion "Stunde der
Gartenvögel", bei der die Brutvögel des Landes im Mittelpunkt des
Interesses stehen.
Weitere Ergebnisse zur Stunde der Wintervögel, darunter
detaillierte Karten und Zahlen aus einzelnen Landkreisen, sind zu
finden unter www.NABU.de sowie für Bayern unter www.LBV.de
Pressefotos: http://www.nabu.de/presse/fotos/
Pressekontakt:
Dr. Markus Nipkow, NABU-Referent für Ornithologie und Vogelschutz,
Tel. 030-284984-1620
Alf Pille, Pressesprecher des LBV, Tel. 09174-4775-24