Ohne medizinische Zweckbestimmung kein Medizinprodukt: So haben es bisher die meisten Gerichte gesehen und damit den Herstellern von Geräten oder Stoffen zur Untersuchung oder Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs eine teure und langwierige Zertifizierung als Medizinprodukt erspart, sofern diese Produkte nicht explizit medizinischen Zwecken dienten.
(firmenpresse) - Dies könnte sich nun durch eine aktuelle Entscheidung des Bundesgerichtshofs (BGH) ändern.Die Medizinproduktedefinition erfasst an sich auch solche Gegenstände und Stoffe, die der Untersuchung, der Ersetzung oder der Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs dienen, ohne pharmakologisch zu wirken. Eine solche Beeinflussung des anatomischen Aufbaus oder physiologischer Vorgänge ist dabei nicht nur durch „klassische“ Medizinprodukte wie etwa Implantate denkbar. Vielmehr stellt sich die Frage, ob nicht auch Fitness- oder andere Trainingsgeräte, Geräte, die bei der Gesichtserkennung in Personenschleusen biometrische Daten erkennen und auswerten, oder gar banale Körperwaagen erfasst werden. Gleiches gilt für bestimmte Wellness- oder Kosmetik-Geräte. Die bisherige Rechtsprechung tendierte allerdings dazu, in die Medizinprodukte-Definition das ungeschriebene Merkmal einer medizinischen Zweckbestimmung hineinzulesen. Nur dann, wenn also die Untersuchung oder Veränderung des anatomischen Aufbaus oder eines physiologischen Vorgangs zu medizinischen Zwecken in Rede stand, sollte demnach ein zertifizierungspflichtiges Medizinprodukt vorliegen. Anderenfalls bedurfte es keiner teuren und langwierigen Konformitätsbewertung solcher Geräte. Dem ist nunmehr der BGH (Beschluss vom 07.04.2011, I ZR 53/09) entgegengetreten. Nach Auffassung des BGH ist die Ausrichtung auf einen medizinischen Zweck vielmehr gerade kein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal des Medizinproduktebegriffs. Das letzte Wort hat allerdings der Europäische Gerichtshof (EuGH), dem der BGH diese Frage zur Entscheidung vorgelegt hat. Zwar gibt der BGH zu erkennen, dass er Fitness- und andere Trainingsgeräte oder Körperwaagen gleichwohl nicht zwangsläufig dem Medizinprodukterecht unterstellen möchte. Anhand welcher Kriterien solche Geräte dann aber aus dem Medizinproduktebegriff ausgesondert werden können, deutet der BGH nur an, ohne abschließende Kriterien zu liefern. Gerade für die Betreiber innovativer Borderline-Produkte im Fitness-, Wellness- und Kosmetikbereich, die sich mangels medizinischer Zweckbestimmung bislang außerhalb des Medizinprodukterechts wähnen durften, könnte es daher eng werden, falls der EuGH der Auffassung des BGH folgt. Auch wenn bis dahin noch einige Zeit vergehen wird, könnte auch manches Instanzgericht im Falle wettbewerbsrechtlicher Auseinandersetzungen schon jetzt auf die Linie des BGH umschwenken und Geräten ohne ordnungsgemäße CE-Kennzeichnung die Verkehrsfähigkeit nehmen. Der Markt für Gesundheitsprodukte droht damit wieder einmal enger zu werden.
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