(ots) - Die halbe Welt hat Deutschland für seine
Gewerkschaftskultur bemitleidet, als es in der großen
Liberalisierungswelle nach der Jahrtausendwende hinterherhinkte. Und
die halbe Welt hat Deutschland beneidet, als es stärker aus der Krise
2008/2009 kam als jedes andere Industrieland. Die Tarifpartnerschaft
hat sich als Anker in bewegten Zeiten erwiesen. Doch zur guten
Tradition gehörte in Deutschland immer auch die Tarifeinheit. Ein
Betrieb, ein Tarifvertrag - das stand nie im Gesetz, war aber mit
wenigen Ausnahmen gelebte Rechtspraxis der Nachkriegszeit. Bis die
Gerichte sie 2010 kippten. Nun staunt das Land über
Splittergewerkschaften, die ohne Rücksicht auf Verluste und Kollegen
anderer Betriebsbereiche ihre Interessen durchboxen. Ein Prozent der
Fraport-Belegschaft nimmt die restlichen 99 Prozent in Mithaftung.
Ja, das ist egoistisch und unsolidarisch. Aber es ist legitim. Ändern
kann das nur die Regierung, indem sie die Gesetze ändert. Das ist
kompliziert, aber möglich und nötig. Denn Splittergewerkschaften
denken auch in Krisenzeiten nicht an das große Ganze, sondern an
sich. Nimmt das Überhand, wird niemand mehr Deutschland für seine
Tarifkultur beneiden.
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