(ots) - Ein iranisches Märchen
Es war einmal ein Land im Mittleren Osten, in dem konnten die
Bürger ihr Parlament frei wählen. So könnte das Märchen beginnen, das
der Iran auftischt. Doch im Gegensatz zu Geschichten aus
Tausendundeiner Nacht ist es so mies, dass es keiner glaubt. Klar
ist, dass für echte Demokratie die Substanz fehlt. Die Opposition ist
vor drei Jahren bei der Präsidentenwahl de facto zerschlagen worden.
Und was an kritischen Stimmen übrig blieb, hat der Rat der
Revolutionswächter rechtzeitig vor der Parlamentswahl ausgesiebt: Von
5400 Bewerbern sind nur 3400 zur Wahl zugelassen. Zwei frühere
Präsidentschaftskandidaten stehen zudem unter Hausarrest.
Falls es einige Bürger trotz der Einschüchterung immer noch nicht
verstanden haben, legt Ajatollah Ali Chamenei nach. Er erinnert an
die "Pflicht" jedes Iraners, zur Wahl zu gehen. Die verkommt damit
zur Pseudo-Abstimmung. Hinter den Kulissen dieses Potemkinschen Dorfs
spielt sich ein Machtkampf des Ajatollahs mit Präsident Mahmud
Ahmadinedschad ab. Wenn die konservativen Kleriker ein gutes Ergebnis
für sich verbuchen, können sie ihrem Widersacher innenpolitisch das
Scheitern der Wirtschaftsreformen leichter in die Schuhe schieben.
Das könnte außenpolitische Folgen haben. Denn Ahmadinedschad hat dann
zwei Optionen: Er gibt sich den Ultra-Religiösen im Land geschlagen.
Oder er sucht erst recht die Eskalation mit dem Westen.
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