(ots) - Rund 11.000 Menschen haben am Montag in Berlin vor
dem Brandenburger Tor gegen den "Solar-Ausstieg" protestiert. Das ist
ein eindrucksvolles Signal an die Bundesregierung, auf radikale
Kürzungen beim Ausbau der Solarenergie und der Solarförderung zu
verzichten.
Zu der Großkundgebung am Brandenburger Tor hatten der
Bundesverband Solarwirtschaft e.V. (BSW-Solar) gemeinsam mit dem
Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB), der IG Metall, der IG Bergbau,
Chemie, Energie (IG BCE) und der Deutschen Umwelthilfe (DUH) geladen.
Auf der Demonstration bekundeten Spitzenpolitiker wie Sigmar Gabriel,
Jürgen Trittin und Gregor Gysi ihre Solidarität mit den Mitarbeitern
der Solarbranche. Fotos der Veranstaltung können Sie unter
http://www.solarwirtschaft.de/presse-mediathek/mediathek/bilder/
herunterladen.
Die Veranstalter appellierten an die Mitglieder des Deutschen
Bundestages und die Bundeskanzlerin, auf zusätzliche Kürzungen der
ohnehin stark rückläufigen Solarförderung weitestgehend zu
verzichten. Die Solarbranche befürchtet einen Markteinbruch von bis
zu 75 Prozent für den Fall, dass die Gesetzesinitiative nicht
gestoppt oder erheblich nachgebessert wird. Der Betrieb neuer
Solarstromanlagen sei ansonsten überwiegend nicht mehr rentabel, eine
Insolvenzwelle unvermeidbar und 100.000 Arbeitsplätze in Gefahr. Die
Energiewende sei ohne einen weiteren kraftvollen Ausbau der
Solarstrom-Nutzung nicht zu schaffen.
"Statt zu beschleunigen bremst die Regierung bei der Energiewende.
Es ist absurd, dass der Photovoltaik-Ausbau ausgerechnet in dem
Moment massiv eingeschränkt werden soll, in dem die Kosten für neue
Solarstrom-Anlagen deutlich sinken und die Förderung der Solarenergie
kaum noch nennenswerte Effekte auf die Stromtarife hat", sagt Rainer
Baake, Bundesgeschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe. Prof. Dr.
Eicke Weber, Direktor des Fraunhofer Instituts für Solare
Energiesysteme in Freiburg, teilt wie viele andere Wissenschaftler
diese Auffassung: "Diese Hau-ruck-Aktion entbehrt jeglicher
wissenschaftlicher Basis. Kurz vor dem Durchbruch laufen wir nun
ernsthaft Gefahr, die Früchte einer jahrelangen technologischen
Vorreiterrolle leichtfertig zu verspielen. Deutschland muss
schnellstens zu einer berechenbaren Wirtschafts- und Energiepolitik
zurückkehren."
Günther Cramer, Präsident des Bundesverbandes Solarwirtschaft,
hält die Gründe für die Zubau- und Förderkürzungen für vorgeschoben:
"Die technischen Herausforderungen der Energiewende sind lösbar. Die
Anschubkosten für den weiteren kraftvollen Ausbau der Solarenergie
halten sich im Rahmen und zahlen sich aus. Mit Hilfe eigener
Solarstromanlagen oder Beteiligungen an Solarfonds nehmen bereits
über eine Million Bürger die Energiewende selbst in die Hand. Das ist
den Energiekonzernen ein Dorn im Auge, da sie so zunehmend
Marktanteile verlieren und für die Photovoltaik kein Geschäftsmodell
haben." Die Politik müsse jedoch erkennen, dass sich die Energiewende
nicht mehr aufhalten lasse und zum Wohle der Allgemeinheit, nicht
weniger Konzerne gestaltet werden müsse. "Wir benötigen endlich
zuverlässige Rahmenbedingungen für einen beschleunigten Ausbau der
Erneuerbaren Energien und der Photovoltaik", so Cramer.
Nach aktuellen Repräsentativbefragungen des
Meinungsforschungsinstituts TNS Emnid lehnen zwei Drittel der
Bundesbürger die jüngsten Kürzungspläne der Bundesregierung ab. Erst
im Sommer vergangenen Jahres hatte diese selbst noch die Absicht
geäußert, mit dem vorgezogenen Ausstieg aus der Atomenergie den
Ausbau Erneuerbarer Energien beschleunigen zu wollen.
Hintergrund
Erst zu Jahresbeginn war das Erneuerbaren-Energien-Gesetz (EEG)
deutlich verschärft worden. Die Solarstromförderung sinkt danach für
neu installierte Solarstromanlagen jährlich um bis zu 24 Prozent. Die
tatsächliche Höhe der Förderung orientiert sich bislang an der
Marktgröße und sinkt nach einem starken Photovoltaik-Zubau im Jahr
2011 in diesem Jahr doppelt so schnell wie im Vorjahr. Allein in den
vergangenen drei Jahren wurde die Solarstromförderung bereits
halbiert.
Diese bisherigen Kürzungsbeschlüsse hatte die Solarbranche noch
weitgehend mitgetragen. Infolge technischen Fortschritts sowie eines
harten Wettbewerbs konnte sie die damit verbundenen Einschnitte durch
sinkende Preise kompensieren. Von den neuerlichen Kürzungsplänen
wurde sie nun jedoch überrascht. Sie sehen nicht nur bereits im
Frühjahr 2012 deutlich drastischere Einschnitte bei den Fördersätzen
neuer Solarstromanlagen vor, sondern zielen erstmals auch darauf ab,
den zukünftigen Ausbau der Photovoltaik von Jahr zu Jahr immer weiter
zu reduzieren. Darüber hinaus soll zukünftig nur noch für 85 bis 90
Prozent der ins öffentliche Stromnetz eingespeisten Solarenergie eine
Förderung gezahlt werden (vgl. Infografik). Diese Änderungsvorschläge
sollen bereits am morgigen Dienstag in den Bundestag eingebracht und
bis Ende des Monats in einem Eilverfahren vom Bundestag verabschiedet
werden.
Während eine maßvolle Rückführung der Solarstromförderung auch von
der Solarbranche akzeptiert wird, läuft gegen die jetzt geplante
Kahlschlagspolitik ein immer breiteres Verbändebündnis Sturm. Die
jüngsten Kürzungspläne werden darüber hinaus nicht nur
übereinstimmend auch von den Oppositionsparteien SPD, BÜNDNIS 90/DIE
GRÃœNEN und DIE LINKE abgelehnt. Sie treffen zunehmend auch auf den
Widerspruch innerhalb der Berliner Koalitionsfraktionen und bei
Ministerpräsidenten der CDU/CSU.
Solarstrom-Anlagen werden in diesem Jahr bereits über vier Prozent
des deutschen Strombedarfs decken können. Branchenziel ist es,
bereits im nächsten Jahr das Förderniveau von Windkraftanlagen auf
dem Meer zu erreichen und ab dem Jahr 2017 schrittweise
förderunabhängig zu werden. Nach Analysen der Beratungsunternehmen
Roland Berger und Prognos kann Solarenergie im Jahr 2020 rund zehn
Prozent des deutschen Strombedarfs decken.
Nach einer jüngsten Prognos-Berechnung werden die
Verbraucher-Strompreise auch durch einen starken Ausbau der
Photovoltaik kaum noch steigen. In den nächsten fünf Jahren erwarten
die Gutachter einen solarbedingten Anstieg der Stromtarife um
lediglich zwei Prozent. Sollten die jüngsten Kürzungspläne der
Bundesregierung umgesetzt werden spart jeder Durchschnittshaushalt
monatlich in den nächsten Jahren lediglich 30 bis 60 Cent (vgl.
BSW-Pressemitteilung von Sonntag, 4.3.2012)
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