(ots) - Joachim Gauck hat gestern einen Satz gesagt, der so
beiläufig klang und doch so großartig war: "Was für ein schöner
Sonntag." Gauck bewies mit diesem Satz, dass er eine seltene Kunst
beherrscht: Er kann Politik mit Gefühl füllen. Er kann eine immer
kompliziertere, immer rasendere Welt so erklären, dass die Menschen
sie verstehen - und dass sie sich verstanden fühlen.
Gauck meinte mit dem schönen Sonntag zum einen den 18. März vor 22
Jahren, als er zum ersten Mal an einer freien, demokratischen Wahl
teilnehmen durfte - und zum anderen den gestrigen Tag, an dem er mit
großer Mehrheit zum Bundespräsidenten gewählt wurde. Er verband also
Vergangenheit und Gegenwart, die große deutsche Politik und seine
ganz persönliche Freude in einem absolut geerdeten Allerweltssatz,
der jedem Zuhörer im Kopf bleiben wird.
Es ist absurd, von Gauck eine perfekte Antwort auf alle Fragen der
Politik zu erwarten: auf die europäische Krise, das Thema
Integration, die alternde Gesellschaft, auf Afghanistan, Irak und den
Klimawandel. Nur weil sein Vorgänger Christian Wulff so schwach war,
muss Gauck noch kein Zauberer sein.
Es genügt, wenn ihm alle paar Wochen ein so prägnanter Satz wie
der vom schönen Sonntag einfällt. Dann ist seine Amtszeit schon ein
Gewinn fürs Land. Denn die Menschen sehnen sich nach einer
Autoritätsperson, zu der sie vertrauensvoll aufschauen können, die
ihnen Halt gibt, die ihnen sagt, was wichtig und richtig ist. Sie
sind verwirrt von Euro-Krisengipfeln und Rettungspaketen. Sie wissen
kaum mehr, was sie glauben sollen. Gauck predigt ihnen eine
Botschaft, die Klarheit in den Köpfen schaffen kann: Wer frei ist wie
wir, der muss Verantwortung übernehmen. Er muss sich mit allen
Kräften für die Demokratie einsetzen. Er darf nicht nur auf die
Politiker schauen. Er muss sie auch wählen. Und damit beginnt sein
Auftrag erst.
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Andreas Kathe
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