(ots) - Professoren-Initiative der Carl Friedrich von
Weizsäcker-Stiftung plädiert für eine gesetzlich geregelte
Ankündigungsfrist für Streiks / Grundversorgung der Bevölkerung soll
Priorität haben
Mit einem heute in Berlin vorgestellten Gesetzesvorschlag sollen
Arbeitskämpfe in Unternehmen der Daseinsvorsorge mit Rücksicht auf
die Bevölkerung geregelt werden. Wie die Rechtsprofessoren Martin
Franzen (München), Gregor Thüsing (Bonn) und Christian Waldhoff
(Bonn) erklärten, trage der von ihnen entwickelte Vorschlag
gleichzeitig den Interessen von Arbeitgebern und Arbeitnehmern
Rechnung. Der im Auftrag der Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung
erstellte Entwurf sieht erstmals gesetzliche Schranken für
Arbeitskämpfe etwa im Luft- und Schienenverkehr, in der
Gesundheitsversorgung, der Telekommunikation sowie im Erziehungswesen
vor.
Nach Vorstellung der Professoren-Initiative sollen Streiks in
Unternehmen der Daseinsvorsorge nur dann zulässig sein, wenn sie
zuvor mit einer Frist von vier Tagen angekündigt wurden. Außerdem
soll die Grundversorgung der Bevölkerung sichergestellt sein. Können
sich die Tarifvertragsparteien hierüber nicht einigen, sieht der
Gesetzesvorschlag ein Schlichtungsverfahren vor. Darüber hinaus
sollen Arbeitskämpfe in Unternehmen der Daseinsvorsorge nur zulässig
sein, wenn mehr als die Hälfte der Gewerkschaftsmitglieder an einer
Urabstimmung teilnehmen und sich für einen Streik aussprechen.
Ferner ergibt sich aus dem vorgeschlagenen Gesetz, dass
Arbeitskampfmaßnahmen erst dann eingeleitet werden dürfen, wenn ein
Schlichtungsversuch erfolglos geblieben ist. Auch mit den in den
vergangenen Jahren immer stärker gewordenen
Berufsgruppen-Gewerkschaften setzt sich das im Auftrag der Carl
Friedrich von Weizsäcker-Stiftung gebildete Professoren-Gremium
auseinander. Danach sollen Spartengewerkschaften nur dann streiken
dürfen, wenn die erhobenen Tarifforderungen auf mindestens 15 Prozent
der Arbeitsverhältnisse in dem betroffenen Unternehmen oder der
Branche angewandt werden sollen.
Zur Begründung des Entwurfs wies der Bonner Arbeitsrechtler Prof.
Gregor Thüsing darauf hin, dass sich "Arbeitskämpfe im Bereich der
Daseinsvorsorge erheblich von anderen unterscheiden. Hier ist die
Allgemeinheit in der Regel unmittelbar nachteilig betroffen." Die
Unternehmen seien in diesem Bereich verpflichtet, die Leistungen "im
Interesse der Bürger soweit wie möglich aufrechtzuerhalten". Daher
sei es gerechtfertigt, für Unternehmen der Daseinsvorsorge, zu der
nicht nur Verkehrsunternehmen und Krankenhäuser, sondern zum Beispiel
auch Feuerwehren zählen, Sonderregelungen zur Lösung von
Arbeitskonflikten vorzusehen.
Der ebenfalls an der Universität Bonn lehrende Verfassungsrechtler
Prof. Christian Waldhoff wies darauf hin, dass der Gesetzgeber
gehalten sei, für den Bereich der Daseinsvorsorge eine Regelung zu
treffen. "Das Bundesverfassungsgericht hat mehrfach, zuletzt im
Urteil vom Januar dieses Jahres, unterstrichen, dass das Gemeinwohl
nicht beeinträchtigt werden darf und der Schutz Dritter hohe
Priorität genießt", sagte Waldhoff. "Daher entspricht eine
gesetzliche Regelung den verfassungsrechtlichen Wertungen - die
bisherige Situation tut dies nicht."
Unter Verweis auf den jüngsten Streik der Vorfeld-Lotsen am
Flughafen Frankfurt sagte der Münchner Professor für Arbeitsrecht,
Martin Franzen, der Gesetzentwurf solle verhindern, dass "kleine und
besonders streikmächtige Arbeitnehmergruppen Sondervorteile für sich
erstreiken, die anderen Arbeitnehmergruppen nicht zugute kommen
sollen."
Der heute in Berlin vorgelegte Entwurf trifft auf großes Interesse
der politischen Parteien, die seit den jüngsten Streikmaßnahmen im
Luftverkehr intensiv über mögliche Regelungskonzepte diskutieren. Im
Auftrag der Carl Friedrich von Weizsäcker-Stiftung hatte das Institut
für Demoskopie Allensbach schon im vergangenen Jahr in einer
repräsentativen Befragung festgestellt, dass sich die Bevölkerung mit
großer Mehrheit für Regelungen von Arbeitskämpfen im Bereich der
Daseinsvorsorge ausspricht. Rund zwei Drittel der Befragten votierten
dafür, Streiks bei der Bahn, im Luftverkehr und in Krankenhäusern
Einschränkungen zu unterwerfen oder sogar gänzlich auszuschließen.
Pressekontakt:
Dr. Frank Meik
Kurator der CFvW-Stiftung und Direktor Zukunft der Arbeit
E-Mail: meik(at)cfvw.de