(ots) -
Immer mehr Kinder mit chronischen und seltenen Krankheiten,
Behinderungen und besonderen Bedürfnissen wachsen hierzulande
zusätzlich unter Armutsbedingungen, in Scheidungs- oder
Trennungsfamilien oder bei Eltern auf, die selbst psychisch oder
chronisch krank sind. Für viele dieser jungen Patienten stehen
bislang zu wenige kindgerechte und individuell ausgerichtete
Versorgungsangebote zur Verfügung.
Auf diese Lebenswirklichkeiten hat Prof. Hubertus von Voß,
Bundesvorsitzender von "Kindernetzwerk e.V. für Kinder, Jugendliche
und (junge) Erwachsene mit chronischen Krankheiten und Behinderungen"
anlässlich der Jubiläumstagung "20 Jahre Kindernetzwerk" in der
Charité in Berlin hingewiesen. Dem Kindeswohl dieser Kinder könne
künftig aber nur dann entsprochen werden, wenn sich in der
Gesellschaft ein tragfähiges Kinderbewusstsein entwickeln würde. Um
diesen Prozess zu forcieren, haben Kindernetzwerk e.V. und die
Eltern-Selbsthilfe in Deutschland in Berlin gemeinsam den 2. Berliner
Appell 2012 verabschiedet. Mit dem Appell soll "das Motto des
Jubiläums "Eine Zukunft für vergessene Kinder" in konkretes Handeln
und praktische Politik implementiert werden. Knapp 300 Delegierte
haben den Appell einstimmig verabschiedet, der damit von den
bundesweit mehr als 100.000 assoziierten Mitgliedern aus 100
Mitgliedsorganisationen getragen wird.
Dringender Handlungsbedarf besteht zum Beispiel bei
pflegebedürftigen Kindern mit und ohne mentale Behinderungen.
Benötigt werde dazu, so von Voß, ein neues Pflegegesetz, das deshalb
auch zu einer "Nagelprobe werden wird, ob hierzulande Kinderrechte
nach den Vorgaben der UN-Kinderrechtskonvention tatsächlich beachtet
werden." Was bei der Pflegebedürftigkeit für Menschen mit einer
Demenz gelten soll, müsse auch Kindern aller Altersgruppen bis ins
junge Erwachsenenalter hinein eingeräumt werden. So müssten
beispielsweise eine individuell ausgerichtete - bei Bedarf auch -
24-stündige Beaufsichtigung, ausreichende Kurzzeitpflegeplätze und
vor allem eine kindgerechte Pflegebegutachtung bereit gestellt und
auch in vollem Umfang finanziert werden.
Neu ausgerichtet werden müssten auch, so von Voß, die insgesamt 12
Sozialgesetzbücher. Diese böten Kindern mit besonderen Bedürfnissen
zwar prinzipiell ein weites Netz an sozialer Fürsorge, erreichten
jedoch häufig nicht die tatsächlich sozial Bedürftigen. Daher fordert
das Kindernetzwerk ein für alle Altersgruppen verständliches
"Teilhabe- und Leistungsgesetz", welches alle sozialen Hilfen für
Menschen in Not allgemein und transparent bündelt. Von Voß: "Es darf
weiterhin nicht so bleiben, dass nur der soziale Hilfen und
Unterstützung gewinnt, der selbst kundig genug ist, den Dschungel der
Sozialgesetzgebung durchdringen zu können."
Um die Rechte von Kindern, Jugendlichen, jungen Erwachsenen mit
besonderen Bedürfnissen und ihrer Familien zu verwirklichen, fordert
Kindernetzwerk e.V. zudem eine am individuellen Bedarf ausgerichtete
bereichsübergreifende und dem medizinischen Fortschritt angemessene
Therapie und Rehabilitation sowie Inklusion und Teilhabe.
Ausreichende, notwendige und zweckmäßige Versorgungsangebote, wie
sie derzeit Gesundheits- und Sozialgesetze vorsehen, reichten
Familien mit besonderem Bedarf häufig nicht aus. Speziell für den
Ãœbergang vom Jugendlichen- ins Erwachsenenalter (so genannte
Transition) sollten zudem deutlich mehr Mittel als bislang zur
besseren Vernetzung aller beteiligten Fachleute bereit gestellt
werden. In allen Sektoren müssten zusätzlich gerade für Kinder aus
Migrantenfamilien interkulturelle Aspekte weitaus stärker als bislang
beachtet werden. Und schließlich sollte nach Ansicht von
Kindernetzwerk e.V. auch die Kompetenz der Eltern-Selbsthilfe
deutlich gestärkt werden. Notwendig sei vor allem die Erweiterung und
nachhaltige Stärkung der Basis-Finanzierung zugunsten der
Selbsthilfe. Hoffnung dafür weckte Bundesgesundheitsminister Daniel
Bahr (FDP), der mit seinem Auftritt bei der Jubiläumsveranstaltung
von Kindernetzwerk e.V: in Berlin ein "Zeichen der Wertschätzung" für
das Kindernetzwerk und die gesamte Eltern-Selbsthilfe gesetzt hat.
Bewegt und ermuntert von den vielen konstruktiven Vorschlägen der
rund 300 Tagungsteilnehmer lud der Minister die Führungsspitze des
Kindernetzwerkes zu einem Gespräch nach Berlin ein. Dort soll dann
konkret ausgelotet werden, welche der im 2. Berliner Appell
verabschiedeten Forderungen tatsächlich auf die politische Agenda
kommen und dann auch zeitnah im Gesetzgebungsverfahren umgesetzt
werden können.
Der "Berliner Appel 2012" im Wortlaut unter www.kindernetzwerk.de
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Raimund Schmid
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