Grenzwert-Chaos nach Fukushima: Japan verschärft Strahlen-Höchstwerte für Lebensmittel im April 2012 ? unzureichender Gesundheitsschutz in Deutschland und Europa
(pressrelations) -
30.03.2012
Die Verbraucherorganisation foodwatch hat die widersprüchliche und gesundheitsgefährdende Grenzwertpolitik bei der Strahlenbelastung von Lebensmitteln in Europa kritisiert. Während Japan einen richtigen Schritt vollzieht und die Grenzwerte für radioaktiv belastete Lebensmittel zum 1. April 2012 drastisch verschärft, übernimmt die EU diese neuen Werte zwar für Importe aus Japan ? lässt jedoch bei Lebensmitteln aus der EU und den von Tschernobyl betroffenen Regionen ohne Not erheblich höhere Belastungen zu.
Auch ein Jahr nach der Fukushima-Katastrophe hat die EU keine Vorkehrungen für ein Höchstmaß an Lebensmittelsicherheit im Falle eines Atom-Unfalls in Europa getroffen. "Die EU hat ein Grenzwert-Chaos par excellence angerichtet und aus Fukushima nichts gelernt. Auf ein Atomunglück wie in Japan sind Europa und Deutschland völlig ungenügend vorbereitet. Die Menschen wären unverantwortlich hohen Gesundheitsrisiken durch den Verzehr von Nahrungsmitteln ausgesetzt", warnte foodwatch-Geschäftsführer Thilo Bode.
foodwatch hatte bereits vor Monaten die Grenzwerte in EU und Japan als zu hoch kritisiert, weil sie eine hohe Zahl an Todesfällen tolerieren. Da jede noch so kleine Dosis Strahlung schwere Erkrankungen und genetische Schäden zur Folge haben kann, gibt es keine "sicheren" Grenzwerte. Die Festsetzung muss daher dem Minimierungsgebot folgen: so niedrig wie möglich, ohne die Lebensmittelversorgung zu gefährden. Japan verschärft zum 1. April seine Cäsium-Grenzwerte von bislang maximal 500 Becquerel/Kilogramm (Bq/kg) auf künftig höchstens 100 Bq/kg. Da die EU ihre Grenzwerte für den Import japanischer Lebensmittel an die in Japan geltenden Limits gekoppelt hat, übernimmt die Europäische Kommission die strengeren Werte. Jedoch belässt sie die laxeren Höchstgrenzen für Lebensmittel anderer Herkunft und vergrößert so die Widersprüchlichkeit der EU-Strahlengrenzwertpolitik:
foodwatch forderte die Europäische Kommission auf, einheitliche Grenzwerte für den Normal- wie für den Katastrophenfall und für alle Lebensmittel gleich welcher Herkunft festzulegen. Diese müssen zumindest auf das von April an in Japan geltende Niveau gesenkt werden. "Im Falle eines atomaren Unglücks kann es nicht das Ziel der Grenzwertpolitik sein, möglichst viele Lebensmittel aus den betroffenen Regionen noch für den Handel zuzulassen. Stattdessen müssten alle Hebel in Bewegung gesetzt werden, um die Menschen mit unbelasteter Nahrung aus anderen Regionen zu versorgen", kritisierte foodwatch-Chef Thilo Bode. "Es gibt keine Rechtfertigung dafür, dass Bürger in der EU im Falle eines Atom-Unglücks weniger geschützt wären als die japanische Bevölkerung."
In Japan gelten vom 1. April 2012 an für das Radionuklid Cäsium erheblich strengere Höchstgrenzen als bislang: 50 Bq/kg statt bislang 200 für Milchprodukte, 10 statt bislang 200 Bq/kg für Trinkwasser, 50 Bq/kg für Kinderlebensmittel (neu eingeführt) sowie 100 statt bislang 500 Bq/kg für andere Lebensmittel. Die EU setzt diese schärferen Grenzwerte ebenfalls in Kraft, jedoch nur für japanische Import-Produkte. Für andere Lebensmittel gelten großzügigere Cäsium-Limits: 370 Bq/kg für Säuglingsnahrung und Milchprodukte (das entspricht dem 7,4-Fachen der japanischen Werte) sowie 600 Bq/kg für andere Lebensmittel (das 6-Fache der japanischen Werte). Im Falle eines Atomunglücks könnten die noch laxeren Grenzwerte der "Schubladenverordnung" in Kraft gesetzt werden ? sie liegen bei 400 bis 1250 Bq/kg.
Die japanische Regierung begründete die Grenzwertverschärfung mit der entlarvenden Formulierung, dass zwar schon die bisherigen Limits "Lebensmittelsicherheit gewährleisten" würden, sie nun jedoch "noch mehr Lebensmittelsicherheit" erreichen wolle. Damit soll offenbar kaschiert werden, dass es "sichere" Grenzwerte für die Strahlenbelastung von Lebensmitteln nicht gibt: Auch bei einer nur geringen Ausschöpfung der neuen Höchstgrenzen ist mit Strahlentoten und schweren Krankheiten infolge des Lebensmittelverzehrs zu rechnen. Einem "Spiegel"-Bericht zufolge geht aus einer noch unveröffentlichten Studie des Bundesamtes für Strahlenschutz hervor, dass Deutschland und die EU auch beim Katastrophenschutz nur mangelhaft auf einen atomaren Unfall in Europa vorbereitet sind.
foodwatch liegen weiterhin keine Informationen vor, dass belastete japanische Lebensmittel in Europa im Handel sind.
Link:
E-Mail-Aktion für strengere Grenzwerte: www.foodwatch.de/aktion-strahlenschutz
foodwatch e.v.
presse- öffentlichkeitsarbeit
brunnenstraße 181
d-10119 berlin
e-mail: presse(at)foodwatch.de
fon: +49 (0)30 / 24 04 76-23
fax: +49 (0)30 / 24 04 76-26