(ots) - Ein Kommentar von Matthias Iken
Wenn nichts mehr geht, geht's gegen Europa. Nach diesem Motto
kämpfen derzeit auf dem Kontinent Populisten um Stimmen. So war es
vor einem Jahr, als Dänemarks Rechte im Wahlkampf plötzlich die
Schlagbäume niederließ und damit das Schengener Abkommen aushebelte.
Und so ist es nun, wenn der französische Innenminister Claude Guéant
wieder Grenzkontrollen für Europa als Ultima Ratio, als letztes
Mittel, fordert. Am Sonntag wählt Frankreich. Claude Guéant kämpft
nicht allein, der deutsche Innenminister unterstützt ihn. Doch was
treibt Hans-Peter Friedrich (CSU), mit seinem Amtskollegen diese
Attacke auf das Schengener Abkommen zu reiten? Ist es gut gemeinte
Wahlkampfhilfe für den Kollegen in Paris? Oder doch Ausdruck
verzweifelter Profilierungsversuche der CSU zulasten Europas? Man
erinnere sich an das Echo, das die symbolischen Grenzkontrollen der
Dänen im vergangenen Jahr ausgelöst haben. Die EU-Kommission
polterte, sie werde "jeglichen Versuch, den EU-Vertrag
zurückzudrehen", nicht akzeptieren. Außenminister Guido Westerwelle
(FDP) sah "raschen und detaillierten Aufklärungsbedarf". Das
Schengen-Abkommen und die Reisefreiheit innerhalb Europas "dürfen
nicht infrage gestellt werden". Und Elmar Brok, das Gesicht der Union
in Brüssel, sah "einen wirklichen Erfolg der europäischen Einigung"
in Gefahr. Heute herrscht Schweigen. Gegner hat Europa viele, die
Freunde machen sich rar. In der Union, der Partei der europäischen
Integrationsfiguren Konrad Adenauer und Helmut Kohl, scheint man
europamüde zu sein. Die großen Projekte der Einigung, ob Euro oder
Schengen, beflügeln die Politik kaum mehr, sie werden zur Last. Nicht
die Chancen werden betont, sondern die Risiken. Statt das Epochale
des Schengener Abkommens - die neue Freizügigkeit, den Wegfall der
Grenzkontrollen - gegen alle Vorbehalte zu verteidigen, werden nun
die Gefahren betont und eine massenhafte Zuwanderung illegaler
Einwanderer suggeriert. So schleift man eines der letzten Symbole der
europäischen Idee. Darin liegt der dramatische Fehler von Guéant und
Friedrich.
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