Positive Impulse strahlen von Rumänien aus nach Europa
In Timisoara, im Westen des neuen EU-Mitgliedslands Rumänien, dort wo seit 400 Jahren das Wort multi-kulti keine leere Worthülle, sondern gelebte Realität im transsilvanischem Vielvölkergebiet bedeutet, dem ehemaligen Siebenbürgen, ging eben das 14. Theaterfestival zu Ende. Eine junge Direktoren-Crew des Rumänischen Staatstheaters mit Generaldirektorin Ada Hausvater, Co-Kollege Ion Rizea und Kuratorin Cristina Modreanu, haben ein intellektuellen Fächer zeitgenössischer rumänischer Dramaturgie aufgeblättert, der dem Rang eines Theaterereignisses von europäischer und internationaler Dimension durchaus gerecht wurde.
(firmenpresse) - Die Preise im Auf und Nieder
Gleich bei der Eröffnung beeindruckte der über die Grenzen des Landes gefeierte Regisseur Radu Afrim mit seiner Inszenierung der „Mansarde in Paris mit Ausblick auf den Tod“ von Matei Visniec, einer Produktion der Kulturfabrik Luxemburg. In typischer Afrim-Manier wird selbst bitterste Alltagsrealität in ein einzigartig farbig positives Theatererlebnis verwandelt, ohne Stück und Aussage aus dem Auge zu verlieren. Der französische Hauptdarsteller Valérie Plancke, Mitglied der Comédie Francaise, heimste auch gleich den Preis für die beste männliche Darstellung ein.
Nicht alle Präsentationen konnten da mithalten, aber es bleibt dem Mut der Veranstalter zu verdanken, einen breit gestreuten Überblick über das Wirken zeitgenössische rumänischer Schreiber und deren unterschiedlichste Reflektionen auf das Bühnengeschehen dokumentiert zu haben.
„Beichte in Tanacu“ von Tatjana Niculescu Bran, deren Umsetzung dem in den USA lebenden und wirkenden Regisseurs Andrei Serban das Tempo und eine selbstverständliche, manchmal erschreckend direkte Offenheit zu verdanken ist, sorgte für erstes Aufsehen. Hier wird die Welt weit bekannte Geschichte einer Nonne, die u.a. durch die Schuld der orthodoxen Kirche ums Leben kam, schonungslos in Form eines Dokudramas aufgeklärt. Das allerdings ging vielen Besuchern (und auch Machern) zu weit, die erwiesene Schuld der Kirche am Tod einer jungen Frau derart direkt zu platzieren. Bravo an Serban, hier wird ein Teil des „rumänischen Komplexes“ aufgearbeitet. Da zeigt sich klar, was zeitgenössisches Theater zu sagen hat, auch wenn es dem Besucher hart verdaulich erscheint.
Die zweigeteilte Persönlichkeit der Nonne, einmal männlich interpretiert von Tokai Andrea und bravourös und aufregend weiblich gespielt von Ramona Dumitrean, verhalf den beiden Schauspielerinnen verdientermaßen zum Preis für die beste weibliche Darstellung in der Co-Produktion des Odeon Theaters Bukarest und des Rumänischen Kulturinstituts. Man darf auf die Resonanz im Dezember hoffen, wenn das Stück in Paris vorgestellt wird, sicherlich ein guter und wichtiger Weg in Sachen Bewältigung rumänischer Geschichte und Auseinandersetzung in der modernen rumänischen Gesellschaft mit dem Umgang vom mittelalterlichen Habitus des Diktats der orthodoxen Kirche im 21. Jahrhundert.
Die Reihe der Preisträger setzt sich fort mit Andi Vasluianu und Dorina Chiriac als beste Schauspieler in der Darstellung einer Studioproduktion des Metropolis Theaters Bukarest, „Spiel um die Wahrheit“ von Lia Bugner.
Mehr wäre auch gut gewesen.
Sicher hätten noch mehr Auszeichnung vergeben werden können, darunter das Stück „Coca-Blues“ von Ioan Peter in der Inszenierung des Nationaltheaters Timisoara oder „Übermorgen der Tag vor Gestern“ von Gianina Carbunariu und dem Theater Mic, Bukarest oder „Stopp das Tempo“ in einer Kooperation zwischen Prag und Bratislava.
Dazu gehört auch „Verboten unter 18“ von Mihaela Michailov, deren vom rumänischen Publikum gefeiertes Stück „Rumänischer Komplex“ wohl eher der kitschigen Inszenierung einer Vorabend-Saop im TV gerecht wird als der zeitgenössischen Aufarbeitung der rumänischen Geschichte in Tränen reicher Glorifizierung der Revolution. Dazu darf die engagierte und talentierte Schriftstellerin sich nicht hinreißen lassen und im Überschwang den Überblick verlieren. Man darf auf die neuen Stücke gespannt sein, dort wird sich zeigen, wohin das Talent sie leitet.
Und es arbeitet noch Vieles im Untergrund.
Da leben das zeitgenössische Schreiben und das Theater wirklich, und beide arbeiten an der Wurzel der modernen rumänischen Gesellschaft, unverblümt, schockierend offen. Besonders das junge Theaterpublikum darf da hinzuzulernen, um nicht im bourgeoisen Theater-Einerlei zu vegetieren.
Zeitgenössisches Theatergeschehen beinhaltet eben auch die Auseinandersetzung mit Minderheiten jeglicher Couleur und damit ihres gestischen und verbalen Habitus, sowohl in „Nils’ F... Day“ von Peca Stefan, “Fuck You Eu.Ro.Pa!” von Nicoleta Esinencu, “Der Gehirnwäscher” von Matei Visniec, “Die Deformierten” von Mitos Micleuseanu und Co.
Zeitgenössisches Theater beinhaltet eben auch die Bewältigung gesellschaftspolitischer Aufgaben, und derer gibt es in ganz Europa viele und ähnliche zu bearbeiten.
Hüben und drüben ist Underground Theater ein Seismograf am Puls der Zeit.
Ein kritisches Schlusswort sei gestattet
Wenn Ada Hausvater und Co. sich in Timisoara an heiße gesellschaftliche Themen wagen, sich zur Diskussion mit dem Publikum, der Presse und den Juroren stellen, so ist das ein richtiger und wichtiger Schritt, Rumänien intellektuell nach Europa zu bringen und mit der überregionalen Reaktion zu rechnen.
Doch was geschieht entgegengesetzt im Osten des Landes? Da dringt an das Ohr der europäischen Besucher die staatliche (und klerikale) Maschinerie der Zensur aus der Stadt Braila, im wunderschönen Donaudelta. Während der im Westen und in Europa anerkannte Regisseur Radu Afrim gefeiert wird, soll seine Inszenierung des “Pillowman“, ein düsteres, gesellschaftskritisches Stück des Iren Martin McDonagh, dem Diktat von Kommunalpolitik und Abgeordneten im Kampf um die Gunst der Stimmen beim anstehenden Wahlkampf abgesetzt werden. Auch das ist Rumänien, ein Relikt aus der Cheaucescu-Ära. Warten wir die Reaktion Bukarest ab, wo das Stück jetzt bald zu sehen sein wird.
KulturPreis Europa 2009 nach Rumänien
Derweil trösten wir uns mit Erfreulicherem: Das Pariser Odeon-Theater übernimmt eine Afrim-Produktion im Juni 2009. Jedoch vorher werden der Regisseur und die Leitung des Staatstheaters Timisoara mit dem „KulturPreis Europa 2009“ ausgezeichnet für das spezielle Engagement um Europa in Rumänien, wegen des Muts zu Diversity und dem Kampf gegen Ausgrenzung von Minderheiten und feindliche Übergriffe aus verschiedenen Gesellschaftsschichten. Ihnen ein herzliches Willkommen in unserem neuen gemeinsamen europäischen Haus.
Fotos: Adrian Piclisan
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