(ots) - Diplomatisches Lehrstück
Farbe bekennen, auf die Menschenrechte pochen, Missstände
unmissverständlich anprangern: Solche Forderungen von Wohlmeinenden
prägen die innenpolitische Sicht auf viele außenpolitische Debatten,
egal, ob es um große Sportveranstaltungen in der Ukraine, einen Song
Contest in Aserbaidschan oder den Umgang mit islamisch geprägten
Staaten wie dem Iran geht.
Das Beispiel des Chinesen Chen Guangcheng lehrt, dass man auf
anderem Wege seine Ziele oftmals eher erreicht. Denn wäre es in
dieser Frage zu moralischem Druck und übersteigerter Empörung ähnlich
wie im Fall des Künstlers Ai Weiwei gekommen, hätte sich der
Dissident seine Ausreise wohl abschminken können. So aber kam hinter
den Kulissen ein Ergebnis zustande.
Die USA hätten Chen nach dessen Flucht in ihre Botschaft niemals
unmittelbar aufnehmen können: Der Affront wäre zu groß, der
politische Schaden immens gewesen. Stattdessen arbeiteten Amerikaner
und chinesische Offizielle an einer Lösung, die beider Seiten Gesicht
wahrt: Die Botschaft musste verlassen werden, dann einigten sich
Diplomaten und Behörden auf den Kniff mit dem Antrag auf ein Studium.
Ein Einzelfall, gewiss. Dennoch sollte die Methode übertragen
werden. Nicht jeder Staat gehört permanent an den Pranger, nicht
jedes Problem andauernd benannt. Still und leise zu wirken und auf
einen langsamen Wandel zu vertrauen ist häufig klüger.
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