(ots) - Reporter ohne Grenzen (ROG) hat vor dem Eurovision
Song Contest (ESC) umfassend über die schwierigen Arbeitsbedingungen
für Journalisten in Aserbaidschan informiert, hat Übergriffe auf
kritische Journalisten dokumentiert und öffentlich gemacht. Vom 15.
bis zum 20. Mai war ROG-Vertreter Ingo Petz vor Ort in Baku, um sich
in Gesprächen mit Journalisten, Bloggern, Politikern und
Menschenrechtsaktivisten ein Bild von der Situation zu machen. Dieser
Bericht fasst die Ergebnisse der Recherchereise zusammen und gibt
einen Überblick über die aktuelle Lage der Medien in Aserbaidschan.
VOR DEM ESC: ÜBERWÄLTIGENDES MEDIENINTERESSE UND POLITISCHER
LOBBYISMUS
"Der ESC ist für uns ein Glücksfall", fasst der in London lebende
aserbaidschanische Blogger Emin Milli zusammen, "so viel
Aufmerksamkeit hat Aserbaidschan noch nie bekommen." Tatsächlich
haben westliche Medien nie so viel über Aserbaidschan berichtet, wie
vor dem Eurovision Song Contest am 26. Mai 2012 in Baku. Die
aserbaidschanische Regierung investiert hohe Summen, um unter anderem
mit Hilfe der Berliner Public-Affairs-Agentur Consultum
Communications das Bild eines modernen, offenen Landes zu zeichnen.
Dennoch dominierten in den vergangenen Wochen
Menschenrechtsverletzungen und politische Gefangene die Berichte
deutschsprachiger Medien über Aserbaidschan. Regierungskritische
Aktivisten erhielten in Interviews breiten Raum, ausführlich wurden
Übergriffe auf unabhängige Journalisten geschildert, etwa die
Schmutzkampagne gegen die investigative Reporterin Khadija Ismayilova
oder der brutale Angriff auf Idrak Abbasow. Der 35-jährige Journalist
wurde Mitte April von Sicherheitsleuten der staatlichen Ölfirma Socar
bewusstlos geschlagen - derselben Firma, die nun das von der Agentur
Hardenberg Concept organisierte Private Viewing des Eurovision Song
Contests der aserbaidschanischen Botschaft in Berlin finanziell
unterstützt.
Regimetreue Medien in Aserbaidschan reagierten umgehend auf die
kritische Berichterstattung in Deutschland: Der staatliche
Fernsehsender Az-TV berichtete Anfang März über Drogenabhängige und
Prostituierte in deutschen Großstädten, im April wurde der Beginn des
Zweiten Weltkriegs zum Thema. Die gleichnamige Zeitung der
Regierungspartei Yeni Aserbaidschan veröffentlichte Anfang Mai eine
Foto-Collage, die den Menschenrechtsbeauftragten der Bundesregierung,
Markus Löning, den deutschen Botschafter in Baku, Herbert Quelle, und
aserbaidschanische Oppositionsführer neben Adolf Hitler zeigte.
ROG forderte vor dem ESC alle Beteiligten - Jury, Produzenten,
Sänger und Journalisten - dazu auf, Menschenrechtsverletzungen in
Aserbaidschan nicht zu ignorieren. Einen Boykott des ESC lehnte die
Organisation jedoch ab. Khadija Ismayilova, eine der bekanntesten
Journalistinnen aus Baku, beschrieb die Folgen des enormen
Medieninteresses für ihr Land: "Weil die ganze Welt uns zuhörte, ist
zum ersten Mal - zumindest für eine kurze Zeit - auch die Regierung
gezwungen, uns zuzuhören. Danach aber erwarten wir einen heißen
Sommer. Die Regierung wird sich an denen rächen, die ihnen das Fest
verdorben haben."
[...]
Den vollständigen Bericht finden Sie unter: http://bit.ly/MtCCmF
Pressekontakt:
Reporter ohne Grenzen
Ulrike Gruska
Pressearbeit
presse(at)reporter-ohne-grenzen.de
www.reporter-ohne-grenzen.de
T: +49 (0)30 202 15 10 - 16
F: +49 (0)30 202 15 10 - 29