(ots) - Wenn ein deutscher Präsident ins Heilige Land
reist, bleibt keiner seiner Schritte unbeobachtet, keine seiner Worte
ungehört. Jede Geste wird registriert und jeder Nebensatz analysiert.
Ãœbrigens weit mehr in seiner Heimat als unter den weitaus
hemdsärmeligeren Israelis, die im Angesicht existenzieller Fragen die
deutsch-israelische Freundschaft gelassener sehen als es hierzulande
der Fall ist. Man darf die präsidiale Staatsvisite in Nahost daher
als Meisterprüfung für ein frisch gewähltes deutsches Staatsoberhaupt
bezeichnen. Die Nonchalance, mit der Joachim Gauck diese Ãœbung nun
hinter sich gebracht hat, dürfte letzte Zweifel beseitigen: Gauck ist
ein exzellenter Vertreter seines Landes. Der Mann weiß nicht nur mit
Worten umzugehen, er weiß Zeichen zu setzen und er weiß die
Besonderheit der Situation sehr wohl zu erkennen. Dabei kostet er
alle Möglichkeiten aus, die sein Amt ihm bieten. Ohne dass man
fürchten müsse, der Theologe und frühere Bürgerrechtler könnte sich
in ein gefährlich turbulentes Fahrwasser bewegen. Gauck ruht in
seiner Überzeugung - und er nimmt sich überdies die Freiheit,
nachzudenken und zu kommentieren. Das kann dann auch den direkten
Amtsvorgänger treffen. Gauck wandelt dessen viel diskutierte Aussage,
der Islam gehöre zu Deutschland, um in den Satz "die Muslime gehören
zu Deutschland". Mit diesem wahrlich gelungenen Einfall glückt Gauck
die Belebung der Integrationsdebatte: Zunächst geht es um die
Menschen, erst dann um das Erbe eines komplexen, kaum fasslichen
Wertekanons. Ebenso selbstbewusst bekennt Gauck sich zur besonderen
Verpflichtung gegenüber Israel, so dass er sich sogar ein Stück weit
von der Kanzlerin absetzen kann. Mit solchen eigenen Einschätzungen
eckt ein Präsident in der politischen Kaste in Berlin an. Aber er
löst da Genugtuung aus, wo die gestelzten Parolen der Berufspolitik
Überdruss hervorrufen. Mit seinen unprätentiösen Formulierungen lädt
Gauck zum ernsthaften Nachdenken ein - dafür sorgt bereits seine
persönliche Vita. Dass Parteigänger des kaum zu entwirrenden
Nahostkonflikts nun den Präsidenten und die Kanzlerin im Widerstreit
sehen, gehört zu den Ritualen der Nahost-Exegese. Im Kern sind sich
beide einig, dass für Deutschland 67 Jahre nach dem Ende des
Holocaust das Verhältnis zu Israel ein ganz besonderes bleiben muss.
Viel Unterstützung, tiefes Verständnis - aber auch ein klarer Blick
auf die Nöte der Region. Und die sind nicht zuletzt auch Nöte der
Palästinenser, für die der Bundespräsident gestern ein offenes Ohr
hatte.
Pressekontakt:
Badische Neueste Nachrichten
Klaus Gaßner
Telefon: +49 (0721) 789-0
redaktion.leitung(at)bnn.de