(ots) - Zum zweiten Mal hat sich Angela Merkel
verkalkuliert. Sie hatte auf Nicolas Sarkozy gesetzt - und bekam
François Hollande als französischen Präsidenten. Sie hatte auf
Dimitri Medwedew gehofft - nun muss sie sich wieder mit Wladimir
Putin abfinden. Seine Herzlichkeit beim Antrittsbesuch in Berlin war
aufgesetzt. Vom neuen Präsidenten ist weder zu erwarten, dass er
seiner Opposition daheim entgegenkommt, noch dass die Syrien-Krise
ihn umtreibt. Putin verkörpert das Streben einer Großmacht nach
vergangener Größe. Menschenrechte sind schön, Interessen sind ihm
wichtiger. Die persönliche Chemie könnte besser sein, Merkel ist ihm
wohl zu Amerika-freundlich, nicht unabhängig genug. Das sind schon
mal zwei Unterschiede zu Gerhard Schröder. Merkels Einfluss ist
begrenzt. Falls sie die Illusion hatte, Putin von einem aktiveren
Engagement in der Syrien-Krise zu überzeugen, müsste die Kanzlerin
enttäuscht sein. Er verfolgt nur nationale Interessen. Mit Russland
dürfte es weder schnell einen Militärschlag noch eine politische
Lösung geben. Die Tragödie in Syrien geht weiter. Und bilateral haben
sich die Gewichte ohnehin verschoben. Wir sind auf russisches Gas,
auf den riesigen Absatzmarkt, auf eine konstruktive Rolle Moskaus in
der Euro-Frage angewiesen und auch darauf, dass Putin wenigstens auf
einem anderen Feld hilfreich ist: im Konflikt um Irans Atomprogramm.
Merkel braucht Putin.
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