(ots) - Staatsstreich qua Richterspruch
Der Arabische Frühling droht in Ägypten in einem Arabischen Winter
zu münden. Die Revolution zum Sturz des Mubarak-Regimes hat bislang
keine Demokratie hervorgebracht. Vielmehr dominiert das Chaos. Und es
ist fraglich, ob der Machtkampf zwischen den alten Eliten aus Militär
und Wirtschaft sowie den Islamisten durch die Präsidentschaftswahlen
an diesem Wochenende beigelegt wird.
Die Ägypter können zwar ihre Stimmen abgeben, aber im Prinzip
steht kein Demokrat zur Wahl. Der Kandidat der Muslimbrüder, Mohammed
Mursi, kämpft für einen Gottesstaat light, nicht für Freiheit und
Toleranz. Und der frühere PremierAhmed Schafik verkörpert
Vetternwirtschaft und Polizeistaat. Kurz: den autoritären
Herrschaftsstil aus Zeiten Mubaraks.
Dass die Anhänger des gestürzten Regimes Morgenluft wittern, wurde
unmittelbar vor der Präsidentschaftswahl klar, als das
Verfassungsgericht die jüngste Parlamentswahl für rechtswidrig
erklärt hatte. Möglich, dass bei dem Urnengang nicht alles mit
rechten Dingen zugegangen ist, aus dem islamistische Parteien als
klare Sieger hervorgegangen sind. Doch die Auflösung des Parlaments
ist weniger juristisch denn politisch motiviert. Hier vollzog die
alte Elite einen kleinen Staatsstreich qua Richterspruch. Und es ist
zu befürchten, dass die Träume der Generation Facebook von einem
demokratischen Ägypten zu Beginn der Revolution leider eine Illusion
bleiben werden.
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