(ots) - Fast die Hälfte der 46 Millionen wahlberechtigten
Franzosen blieb auch bei der zweiten Runde der Parlamentswahl den
Urnen fern. Die geringe Wahlbeteiligung zeigt, dass immer mehr
Franzosen dem demokratischen System Adieu sagen. Nach den Ursachen
braucht man nicht lange zu suchen. Zwischen den prosperierenden
Zentren und den seelenlosen Vorstädten der französischen Metropolen
verläuft eine unsichtbare Demarkationslinie, die Gewinner und
Verlierer brutal auseinander dividiert. Jenseits dieser
Wohlstandsbarriere ballt sich ein wachsendes Heer von Verlierern:
junge Menschen, von denen jeder vierte arbeits- und chancenlos ist,
sowie andere sozial Ausgegrenzte. Je geringer das Vertrauen in die
Demokratie, desto größer die Hinwendung zu Populisten und
Extremisten. Bald ein Drittel der Franzosen steht hinter der
rechtsextremen Marine Le Pen und dem linken Volkstribun Jean-Luc
Mélenchon. Mag die Mehrheit von Präsident François Hollande in der
neuen Nationalversammlung noch so komfortabel sein, eine Garantie für
eine erfolgreiche Amtszeit hat er damit noch lange nicht. Die maroden
Staatsfinanzen zu ordnen, das Land strukturell zu reformieren und
durch einen beherzten Wachstumsschub obendrein die schmalen
Geldbeutel der unteren und mittleren Schichten zu füllen - das
gleicht einer Herkulesaufgabe. Hollande, der viel versprochen hat,
weiß, dass sein Risiko beträchtlich ist. Der Schritt von der
Wahlverweigerung zum Protest auf der Straße, von der Lustlosigkeit
zur Wut, ist nur kurz.
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