Unter großem Anklang fand am 19. und 20. November in Hamburg das Branchenforum des bvse-Fachverbandes Schrott, E-Schrott und Kfz-Recycling statt. Themenschwerpunkt des Auftakttages war „Der Schrottmarkt im Wandel". Sechs unterschiedliche Referenten gaben den über 100 aufmerksamen Zuhörern einen Einblick in die Veränderungen auf dem Schrottmarkt.
(firmenpresse) - Nach der Begrüßung durch den bvse-Hauptgeschäftsführer Eric Rehbock und seinem historischen Rückblick auf den Schrottmarkt nahm Frau Dr. Martina Schulze vom Bundeskartellamt in Bonn eine Bestandsaufnahme zu den Konzentrationstendenzen in der Schrottwirtschaft vor.
Sie bestach mit einem detaillierten Wissen über den Aufbau und die Funktionen der Schrottbranche. Obwohl der Handel manchmal den Eindruck hat, dass einige wenige den Markt beherrschen, konnte sie darlegen, dass in Deutschland keine Marktbeherrschung einzelner Unternehmen vorliegt. Laut § 19 Abs. 3 GWB liegt eine Marktbeherrschung dann vor, wenn der Marktanteil von einem Unternehmen größer als 1/3 ist oder der Marktanteil von 1 – 3 Unternehmen größer als 50 % ist oder der Marktanteil von 1 – 5 Unternehmen 66,66 Prozent ist.
Frau Dr. Schulze betonte, dass man einer Konzentration durch eine Kooperation entgegenwirken könne und hier insbesondere der mittelständische Schrotthandel viele Möglichkeiten habe zu reagieren. Die 5. Beschlussabteilung ist im Vorfeld der Überlegungen zusammen mit den eventuell Beteiligten gerne zu Prüfungen der jeweiligen Sachverhalte bereit.
Über die Strategien eines Mittelständlers im sich verändernden Schrottmarkt referierte Frau Bettina Schuler-Kargoll, Geschäftsführerin und Inhaberin der Schuler Rohstoff GmbH in Deißlingen. In einem fesselnden Vortrag beschrieb sie die Probleme des Mittelstandes in einer sich zunehmend konzentrierenden Kreislaufwirtschaft. Nach ihren Worten muss sich der Mittelständler der Konzentration auf drei Ebenen entgegenstellen. Es handelt sich dabei um die Stahlverbraucher, weil sie als Entfallstellen fusionieren, um die Stahlwerke als Abnehmer und die Entsorgungsunternehmen an sich. Sie stellte heraus, dass die Konzentration bei den Entsorgungsunternehmen dreifach von statten geht: sie verstärken ihre regionale Marktpräsenz, sie stellen sich international auf und sie diversifizieren teilweise in hohem Maße. Nach ihren Worten ist der Wettbewerb so hart geworden, dass sich die Konkurrenten nicht mal mehr den Misserfolg gönnen. Jeder Händler muss sich darauf einstellen, dass die Stahlwerke selbst bei großen Entfallstellen den Schrott kaufen, dass sich Entfallstellen mit mehreren Standorten nur einen Entsorger bundes- oder sogar europaweit suchen, die Ausschreibungen der Entfallstellen zunehmend über das Internet erfolgen und ein massiver regionaler Verdrängungswettbewerb stattfindet.
Es wird zunehmend wichtig, sich den Abnehmern als Dienstleister zu präsentieren und die Entsorgung auf allen Ebenen im Baukastenformat anzubieten. Die Kundenorientierung und die Qualität müssen Bestandteil einer Gesamtstrategie sein. Dazu gehören ein intensiver Ausbau bestehender Netzwerke, Investitionen in die Aus- und Weiterbildung sowie soziales Engagement. Gerade die Unterstützung von Vereinen bei den Sammlungen sichert den Materialzufluss in einem nicht zu unterschätzenden Maße. Flexibel auf sich verändernde Märkte reagieren, sichert das Überleben.
Die „Bedeutung der Schrottversorgung für die mittelständisch geprägte Gießereiindustrie" erläuterte Prof. Dr. Rüdiger Deike von der Universität Duisburg-Essen vom Institut für angewandte Materialtechnik. Die in den Eisen-, Stahl- und Tempergießereien abzusetzende Schrottmenge, aber auch deren Qualität stehen in direktem Zusammenhang zur Gussstahlproduktion insbesondere von Gusseisen mit Lamellen- und Kugelgraphit. Seit 1993 ist in Deutschland deren Produktion kontinuierlich angestiegen. Sie erreichte im vergangenen Jahr über 4 Mio. Tonnen. Gusseisen mit Lamellengraphit – GJL - und Gusseisen mit Kugelgraphit - GJS - sind von der Tonnage her die wichtigsten Gusswerkstoffe.
Seit 1980 ist bspw. der Schrottanteil bei der Produktion von GJL von 30 auf 50 Prozent gestiegen, der Kreislaufschrott ist in diesem Zeitraum in etwa konstant bei ca. 30 % geblieben, Gussbruch und Roheisen haben abnehmende Tendenz. In Zukunft werden aber verstärkt hochfeste Stähle mit 10 bis 15 Prozent Mangan hergestellt, die als Schrotte im Gießereibereich nicht einsetzbar sind. Schon heute bereiten den Gießereien zu hohe Anteile an Mangan, Kupfer, Chrom und Phosphor in den Schrotten Probleme, da je nach Konzentration die Werkstoffeigenschaften leiden. Prof. Deike gab einen hochinteressanten Einblick in die Aussagekraft der international benutzten Rohstoffindizes und betonte, dass auch in den kommenden Jahrzehnten unabhängig von der aktuellen Entwicklung von einer weiter wachsenden Nachfrage nach Rohstoffen auszugehen ist und auch der Schrottbedarf in der Gießereiindustrie steigen wird.
Ob es sich beim Elektronikschrottmarkt um eine Nische handelt, erläuterte Klaus Hennemann, Geschäftsführer der IGE Hennemann Recycling GmbH in Espelkamp. Nach seinen Worten wurde Elektro- und Elektronikschrott ungefähr seit 1980 zunehmend als Rohstoffquelle entdeckt. Es entwickelten sich Märkte sowie das Problembewusstsein über Schadstoffe. Mit den gesetzlichen Vorgaben ab 1990 traten immer mehr Unternehmen in diesen Markt ein und konkurrierten um die Schrotte.
Viele kleine und mittlere Unternehmen spezialisieren sich im Elektroschrott-recycling, dazu kamen karitative, soziale, konzerngebundene und -ungebundene Unternehmen. Unter dem ElektroG, das 2005 verabschiedet wurde, veränderten sich die Marktstrukturen, und was zu Anfang noch wie eine Marktnische erschienen ist, ist heute keine mehr. Auf dem E-Schrottmarkt bewegen sich ca. 300 kleine Demontagebetriebe mit einer Kapazität von 1.000 bis 5.000 Tonnen pro Jahr, rund 120 Betriebe verfügen über eine manuelle und mechanische Aufbereitung mit einer Kapazität von 10.000 Tonnen und mehr pro Jahr und ca. 500 Entsorgungsfachbetriebe erfassen die Schrotte.
Die E-Schrottwirtschaft ist ein Teil des Gesamtkonzeptes der Rohstoffbranche, aber längst keine Nische mehr. Sie ist gekennzeichnet durch feste Beschaffung-, Aufbereitungs- und Abnehmerstrukturen.
Einen ebenfalls sehr interessanten Einblick in die Aufbereitungstechnik von Kunststoffen aus bestimmten Aufbereitungsrückständen bot Sebastian Schülke, Geschäftsführer der SiCon GmbH in Hilchenbach. Bekannt geworden durch den VW-SiCon-Prozess, einem Verfahren zur Aufbereitung von Shredderrückständen, mit dem über 95 Prozent der Rückstände verwertbar sind, stellte Herr Schülke die von seinem Unternehmen ebenfalls entwickelten Systeme FinesTuning® ein Verfahren bzw. eine Anlage zur Metallseparation aus Siebdurchläufen der sog. Feinfraktion von Shredderrückständen, polyfloat® , ein Verfahren bzw. eine Anlage zur präzisen Dichttrennung von Kunststoffen, ReEnvision®, ein zweistufiger Vergasungsprozess für Ersatzbrennstoffe und Shredderrückstandsfraktionen sowie Futroleum®, der Wasserstofferzeugung aus dem Re-Envision®-Prozess, vor.
Während sich die beiden zuletzt genannten Verfahren noch in der Probephase befinden, haben die anderen ihre Praxistauglichkeit insbesondere im europäischen Ausland längst bewiesen. Über die Aufbereitung von Rückständen aus verschiedenen Prozessen wie Shredderanlagen, Scheren oder zerkleinerten E-Schrotten sollen die rechtlichen Vorgaben erfüllt und unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten die Metallrückgewinnung verbessert werden sowie verwertbare Fraktionen für energetisch/rohstoffliche und/oder werkstoffliche Verwertungen gewonnen werden.
Laut Herrn Schülke sind Aufbereitungsrückstände Nebenprodukte der Aufbereitung, in die alle nicht im Zielprodukt gewünschten Reststoffe ausgeschleust werden. Die Folge ist eine hohe Heterogenität der Rückstände. Ohne gezielte Aufbereitungsschritte können diese nicht in verwertbare Fraktionen getrennt werden.
Ziel ist eine Trennung in Fe- und NE-Metalle, Kunststofffraktionen und Inertfraktionen. Dazu bietet SiCon ein modulares Aufbereitungssystem an, das sich den verschiedenen Inputströmen flexibel anpassen, mit dem das Anlagensystem jederzeit erweitert oder ergänzt, aber auch stufenweise entsprechend den Marktgegebenheit aufgebaut werden kann.
Einen Vortrag ganz anderer Art hielt Herr Simon Thompson, Geschäftsführer der MF Metals GmbH in Hamburg. Er erläuterte die Funktionsweise der London Metal Exchange, LME, die ein einzigartiger Handelsplatz für Basismetalle, Stahl und Kunststoffe ist. Er stellte in seinem Vortragstitel die provokante Frage, ob „LME-Stahlknüppel ein nutzbares Instrument für den Schrotthandel sind". Die Einführung von Terminkontrakten für Stahlknüppel ist für ihn ein erster Schritt zum börsenmäßigen Handel mit Stahl und in dessen Folge auch für Schrott, der als wichtiger Rohstoff in enger Verbindung zum Stahl zu sehen ist.
Die Handelsplattform LME fungiert weltweit als Mittel des Risiko-Management-Tools für die weltweite Metallindustrie. LME-Kontrakte werden von einem unabhängigen Clearing-Haus garantiert, und alle LME-Future-Kontrakte können weltweit in die LME-Lagerhäuser geliefert werden.
Nur ein sehr kleiner Prozentsatz aller Kontrakte wird angeliefert. Obwohl nach seinen Worten Stahl kein klassischer Rohstoff ist, besitzt er doch alle Charakteristiken eines Rohstoffs. Der Nutzen eines börsenmäßigen Handels liegt darin, die Risiken, die der Handel mit Stahl bringt, zu vermindern. Seit dem 28. April 2008 haben sich zwei Steel Billet Kontrakte etabliert.
Einer für den Mittelmeerraum mit Lagerhäusern in der Türkei und in Dubai und einer im Fernen Osten mit Lagerhäusern in Südkorea und Malaysia. Bis jetzt haben die Kontrakte das Marktgeschehen exakt abgebildet und ein belastbares Risikomanagement geliefert. Termingeschäfte für Stahl oder Schrott scheinen heute noch Zukunftsmusik zu sein. Das aber könnte sich bald ändern.
Jörg Lacher
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