(ots) - Tief greifendes Missverständnis
Aus medizinischer Sicht sind die neuen Methoden zur Entzifferung
des Erbguts von Ungeborenen sicher ein Erfolg. Fraglich ist aber,
welchem Zweck die Bluttests dienen sollen, und welches Bild vom Wert
des Lebens sie vermitteln. Schon heute ist es mittels der
Pränataldiagnostik möglich, Erbschäden vor der Geburt eines Kindes zu
erkennen. Wird dabei etwa das Downsyndrom festgestellt, entscheiden
sich bereits jetzt rund neun von zehn Eltern für einen
Schwangerschaftsabbruch. Es dürften noch mehr werden, je einfacher
die Diagnose gestellt werden kann.
Dieser Reflex offenbart ein tief greifendes Missverständnis
dessen, was ein Leben lebenswert macht: Das Fehlen körperlicher und
geistiger Beeinträchtigungen ist zwar ein Segen, aber eben kein
Ausschlusskriterium für ein glückliches Dasein. Viel zu oft werden
Menschen mit Behinderung allein über ihre Defizite definiert. Ihre
Stärken bleiben indes unbeachtet, das Lächeln, die Herzlichkeit, im
Zweifel auch schlicht die Tatsache, dass es das eigene Kind ist.
Diese Besonderheiten des Einzelnen zu ignorieren ist anmaßend und
ungerecht.
Zweifelsohne ist ein Leben mit Behinderung immer eine
Herausforderung, aber es ist eben auch immer ein Leben. Es mag
Einzelfälle geben, in denen ein Schwangerschaftsabbruch tatsächlich
die einzige Lösung ist. Die Pränataldiagnostik muss aber die Ausnahme
sein, damit sie nicht zum routinierten Test auf Makellosigkeit
verkommt.
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