(ots) - Zehn Jahre nach der Hochwasserkatastrophe
an Elbe und Donau hat der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland
(BUND) den Umgang mit den Flüssen in Deutschland gerügt. Es gebe zwar
Verbesserungen beim Hochwasserschutz wie erste Deichrückverlegungen
und den punktuellen Rückbau von Siedlungen in
Überschwemmungsgebieten. Dies dürfe jedoch nicht darüber
hinwegtäuschen, dass es bei einem wiederholten extremen Anstieg des
Elbepegels wieder zu milliardenteuren Schäden und zum Verlust von
Menschenleben kommen könne, sagte der BUND-Vorsitzende Hubert Weiger
vor der Landespressekonferenz in Dresden.
"Bundesregierung und Elbanrainer-Länderregierungen haben nach der
Jahrhundertflut 2002 vor der Presse versprochen, den Flüssen mehr
Raum zu geben. Und kaum hatten sie den Presseraum verlassen, war das
Versprechen schon vergessen", sagte Weiger. Sämtliche bisher
umgesetzten Maßnahmen könnten die Wassermassen von 2002 bei weitem
nicht aufnehmen. Auch in Sachsen seien riesige Summen vor allem in
technische Maßnahmen zum Hochwasserschutz investiert worden. Versäumt
worden sei hingegen der ökologische Hochwasserschutz mit dem
Schwerpunkt der Auenrenaturierung, sagte der BUND-Vorsitzende.
Zudem würden weiter teure Maßnahmen zur angeblichen Verbesserung
der Schiffbarkeit auf der Elbe durchgeführt, die dem Gewässerschutz
schadeten und sich wegen des starken Rückgangs der Güterschifffahrt
nicht lohnten, sagte der BUND-Vorsitzende. "Tourismus, Hochwasser-
und Naturschutz, das sind die Zukunftsbranchen an der mittleren und
oberen Elbe", sagte Weiger. Er forderte Bund und Länder auf, intensiv
nach weiteren möglichen Wasser-Rückhalteflächen zu suchen. Die
Schaffung zusätzlicher Feuchtgebiete könne den Wasserhaushalt in den
Flusseinzugsgebieten stabilisieren und wäre zudem ein wertvoller
Beitrag zum Schutz bedrohter Tier- und Pflanzenarten.
"Schon vor dem Jahrhundert-Hochwasser 2002 hatte die
internationale Kommission zum Schutz der Elbe 35000 Hektar als
mögliche Flächen für Auenrenaturierungen und Deichrückverlegungen
identifiziert. Realisiert oder in Umsetzung begriffen sind weniger
als fünf Prozent davon", sagte der BUND-Flussexperte Winfried
Lücking. "Der Wasserrückhalt in der Fläche wird vernachlässigt. Da
auch das Elbe-Einzugsgebiet über Gräben oder Drainagen entwässert
wird, verlieren Wiesen, Wälder, Sümpfe und Moore weiter ihre
natürliche Schwammfunktion. Und was an der Elbe gilt, gilt auch für
die meisten anderen Flüsse in Deutschland", sagte Lücking.
Der BUND-Flussexperte beklagte auch Verzögerungen beim
Hochwasserschutz. So werde inzwischen seit Jahren über Rückdeichungen
entlang der Sude, einem niedersächsischen Elbe-Nebenfluss,
debattiert, ohne dass eine Weiterführung des Projektes in Sicht sei.
Die geplante Vertiefung der Unterelbe für die Zufahrt noch größerer
Schiffe zum Hamburger Hafen berge ebenfalls Hochwasserrisiken, sagte
Lücking. Eine Vertiefung verursache das Trockenfallen von
Flachwasserzonen und ein schnelleres und höheres Auflaufen von
Sturmfluten.
"Unter Blinden ist der Einäugige zwar König. Aber auch Sachsen und
Sachsen-Anhalt dürfen sich nicht auf Teilerfolgen beim
Hochwasserschutz ausruhen", sagte Wolfgang Riether,
Landesgeschäftsführer des BUND in Sachsen. "Mit den nach 2002
investierten Geldern sind in den Ãœberschwemmungsgebieten vor allem
Gebäude und Verkehrswege wiederhergestellt worden. Und Hunderte
Millionen Euro wurden für technische Hochwasserschutzmaßnahmen wie
Deichverstärkungen, den Bau von Rückhaltebecken und Uferbefestigungen
ausgegeben, zuwenig aber zur Vorbeugung vor Überflutungen und für den
ökologischen Hochwasserschutz." Dies liege am mangelnden politischen
Willen und am Druck der Bau- und Agrarlobby. Es fehle außerdem an
geeigneten Strategien zur Anpassung an die wegen der Klimaerwärmung
auftretenden extremen Hoch- und Niedrigwasserstände der Flüsse.
Aufgegeben werden müsse auch das Vorhaben, den Fluss ganzjährig
schiffbar zu machen.
"Es sind die Bundesländer gewesen, die das nationale
Hochwasserschutzgesetz aufgeweicht haben", sagte der BUND-Vorsitzende
Weiger. "Sie verhinderten ein generelles Bauverbot in Flussauen und
stärkere Restriktionen bei der landwirtschaftlichen Nutzung
potentieller Überschwemmungsflächen." Vorbeugender Hochwasserschutz
dürfe nicht länger darauf reduziert werden, Stauanlagen zu bauen oder
Deiche zu erhöhen. Dies suggeriere den Anwohnern zwar mehr
Sicherheit, erhöhe aber zugleich die Gefahr stärkerer und höherer
Flutwellen am Unterlauf der Flüsse. "Eine zeitgemäße und
zukunftsfähige Flusspolitik stellt sich der Aufgabe, die ökologischen
Potentiale der Gewässer zu erkennen, sie wiederherzustellen und zu
sichern", sagte Weiger.
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